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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Konten hatte sie keinen Zugriff, da sie unter verschiedenen Namen geführt wurden – sowohl von natürlichen Personen als auch von dubiosen Firmen. Mit wachsendem Entsetzen sah sie, dass die letzte Überweisung auf ihr eigenes Girokonto erfolgt war, und zwar exakt in Höhe von fünfzehntausend Dollar, vor kaum vierundzwanzig Stunden.
    »Das kann nicht sein«, wiederholte sie. »Wie …«
    Sie brach den Gedanken abrupt ab, da die Antwort auf diese Frage vermutlich kompliziert war und ihr auf Anhieb keineeinfallen würde. Sie wusste in diesem Moment nur, dass sie wahrscheinlich mit den größten Schwierigkeiten zu rechnen hatte.
     

     
    »Eine Sache begreife ich noch nicht …«
    »Was denn?«, fragte sie geduldig.
    »Das Warum für Michael O’Connells Liebe. Ich meine, er redete ständig davon, sie zu lieben, aber gab es in seinem Verhalten irgendetwas in irgendeiner Form, das irgendjemand irgendwie unter Liebe verstehen würde?«
    »Nicht viel, oder?«
    »Eben. Es scheint mir, dass sich in seinem Kopf etwas ganz anderes abgespielt hat.«
    »Da könnten Sie richtig liegen«, antwortete sie, so distanziert und doch so verführerisch wie immer.
    Sie zögerte und schien, wie so oft, vorsichtig ihre Gedanken zu ordnen.
    Ich bekam den Eindruck, dass sie die Geschichte unter ihre Kontrolle bringen wollte, wenn auch auf eine Weise, die ich nicht durchschaute. Das gab mir ein unbehagliches Gefühl, denn ich konnte den Verdacht nicht abschütteln, als würde ich für etwas missbraucht.
    »Ich glaube«, begann sie langsam, »ich sollte Ihnen den Namen eines Mannes nennen, der Ihnen in dieser Hinsicht weiterhelfen könnte. Er ist Psychologe. Ein Experte für obsessive Liebe.« Wieder schwieg sie einen Moment. »So nennen wir das, auch wenn es in Wirklichkeit herzlich wenig mit Liebe zu tun hat. Liebe assoziieren wir mit Rosen zum Valentinstag oder meinetwegen mit Postkartengrüßen. Schokolade in herzförmigen Packungen, mit Engelsputten oder Amor mit dem Pfeil, Hollywood-Schnulzen. Ich glaube,mit all dem hat es herzlich wenig zu tun. Liebe hängt viel tiefer mit unserer dunklen Seite zusammen, als wir denken.«
    »Sie klingen zynisch«, erklärte ich, »und gefühllos.«
    Sie lächelte. »Wahrscheinlich«, stimmte sie zu. »Wenn man jemandem wie Michael O’Connell begegnet, dann wirft das unter Umständen ein anderes Licht auf die Frage, was genau wir unter Glück verstehen. Wie gesagt, ihm haben es ein paar von uns zu verdanken, dass wir die Dinge mit anderen Augen sehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Dann griff sie nach einer Schublade am Tisch und zog sie auf. Sie suchte einen Moment lang darin, bevor ein kleiner Block und ein Bleistift zum Vorschein kamen. »Hier«, sagte sie und schrieb einen Namen auf. »Reden Sie mit diesem Mann. Sagen Sie ihm, ich hätte Sie geschickt.«
    Sie warf den Kopf zurück und lachte, auch wenn mir entging, was so komisch war. »Und sagen Sie ihm, ich würde jeden Interessenskonflikt verneinen und auf die ärztliche Schweigepflicht des Arztes verzichten. Nein, noch besser …«
    Damit schrieb sie rasch etwas auf den Zettel. »Das erledige ich selbst.«

16
Eine Reihe gordischer Knoten
     
    Ashley hielt wie nun schon seit zwei Wochen aus Vorsicht Abstand vom Fenster.
    Sie hatte keine Ahnung, was gerade mit den drei Menschen passierte, die ihre Familie ausmachten, und konzentrierte sich ganz auf das fortwährende Gefühl, beobachtet zu werden. Das Problem war nur, dass sie jedes Mal, wenn dieses Gefühl sie vollkommen zu überwältigen drohte, nicht den geringsten konkreten Anhaltspunkt dafür finden konnte. Jedes Mal, wenn sie sich auf dem Weg zu einem Seminar oder zu ihrer Arbeit im Museum schnell und unerwartet umdrehte, stieß sie nur auf die irritierten Gesichter der Fußgänger hinter ihr. Sie hatte sich angewöhnt, erst in die U-Bahn zu springen, kurz bevor sich die Türen schlossen, und danach sämtliche Fahrgäste ins Visier zu nehmen, als könnte die alte Dame, die den
Herald
las, oder der Arbeiter mit der zerbeulten Red-Sox-Kappe O’Connell in irgendeiner raffinierten Verkleidung sein. Zu Hause schlich sie in die Ecke neben dem Fenster und nahm in beide Richtungen die Straße in Augenschein. Sie horchte an ihrer Tür, ob es irgendwelche verdächtigen Geräusche gab, bevor sie die Wohnung verließ. Draußen wechselte sie die Route, selbst wenn sie nur in den Lebensmittelladen oder die Apotheke ging. Sie kaufte sich ein Telefon mit Anruferkennung undinstallierte dasselbe

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