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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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kritisch beäugte. »Ein bisschen zu dürr vielleicht.«
    Hochzeitsgesellschaften waren auf den Sperlingsbergen genauso alltäglich wie Touristengruppen, doch für die Händler weit weniger interessant. Die Moskauer pflegten keine zweifelhaften Souvenirs zu kaufen und besuchten die Aussichtsplattform einzig zu dem Zweck, ihre Stadt von oben zu bewundern.
    Die von einer Menschenmenge umringten frisch Vermählten begaben sich zur Brüstung, und unter dem Gejohle seiner Freunde setzte der junge Ehemann seine Angetraute auf die breite Mauer. Das weiße Hochzeitskleid bildete einen schönen Kontrast zum strahlend blauen Himmel, und die Fotokameras klickten um die Wette, um dieses denkwürdige Bild festzuhalten.
     
    Die purpurschwarze Wolke senkte sich tiefer und tiefer. Die roten Blitze, die aus ihr herausschossen, züngelten über dem schmelzenden Steinboden und näherten sich dem immer noch reglosen Bogdan. Die Energie suchte sich ein neues Ventil.
    »Artjom, mach schon!«
    Der junge Söldner sammelte sich und ergriff mit beiden Händen das Katana.
    »Nein! Bitte nicht!!«
    Außerhalb des Runenkreises stand eine schwarzhaarige junge Frau und sah ihn flehentlich an. Ein Anflug von Pfirsichduft stieg ihm in die Nase, und Artjom wurde schlagartig klar, dass die Morjane im Begriff war, ihre Kampfmontur anzulegen.
    »Beeil dich, du Idiot!« Cortes stieß Artjom in den Rücken und wandte sich Tapira zu. »Um die kümmere ich mich.«
    Immer mehr Blitze zuckten aus der Gewitterwolke, die wie eine schwarze Glocke über dem Thron der Kraft dräute. Über dem Runenkreis bildete sich plötzlich ein glutroter Wirbel, der sich wie ein Tornado herabwand, stetig breiter wurde und auf den Kriegskommandeur zusteuerte.
    Artjom sprang mit einem Satz zu Bogdan und schwang das Katana über den Kopf. Der konsternierte Ritter unternahm nicht einmal den Versuch, sich zu verteidigen. Das hatte der Söldner nicht erwartet. Artjom schaute auf die Hände des Kriegskommandeurs – sie waren unbewaffnet – und dann auf Olga.
    Die junge Frau lebte.
     
    Tapiras Augen wurden grün, die Lippen verschwanden, und aus der Mundöffnung wuchsen zwei lange, spitze Eckzähne. Das süße Aroma reifer Pfirsiche übertünchte sogar den Gestank des schmelzenden Steins. Doch die Umwandlung des Wandelwesens war noch nicht abgeschlossen.
    »Fasst ihn nicht an!«
    Die Morjane machte einen Schritt nach vorn. Cortes wich einen kleinen Schritt zurück, hob die linke Hand und hielt Tapira das Basiliskenauge entgegen.
    »Weiter gehe ich nicht zurück«, warnte er.
    Die zur Hälfte verwandelte Morjane heulte auf, und in ihren grünen Augen schimmerte tiefe Verzweiflung.
    »Scher dich weg, Tapira!«, bellte Cortes. »Wir tun dir nichts, aber hau ab!!«
    Das Wandelwesen fauchte böse und drehte unschlüssig den Kopf, doch dann machte es kehrt und schlich zur Treppe davon. Tapira hatte aufgegeben. Cortes atmete erleichtert durch und sah sich nach seinem Kompagnon um.
    Der Tornado über Bogdans Kopf rotierte immer wilder – noch ein paar Augenblicke und dem Kriegskommandeur würde buchstäblich der Himmel auf den Kopf fallen. Doch der junge Söldner zögerte immer noch.
    »Mach schon!!«
    Artjom überwand sich und schlug zu: entschlossen, kraftvoll und präzise. Die Klinge sauste unter dem Helm hindurch, und der Kopf des Kriegskommandeurs rollte über den schwarzen Steinboden. Artjom war überrascht, wie leicht das Schwert den Hals durchtrennte, und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren.
    »Das war’s …«
    Der Körper des Kriegskommandeurs sank neben Olga in sich zusammen und aus den Tiefen des purpurschwarzen Himmels schlug ein ohrenbetäubender Donner.
    »Hinlegen!!!«
     
    »Sie haben Bogdan getötet!«, verkündete Tamirs freudige Stimme über den Kopfhörer, doch Santiago hatte jetzt andere Sorgen.
    Die vom Kriegskommandeur entfesselte Energie wütete immer noch in der Gewitterwolke über dem Thron der Kraft und suchte krampfhaft nach einem Kanal, um sich zu entladen. Der Kommissar war ganz darauf konzentriert, diese Energien abzuleiten und natürlich hatte er sich vorher überlegt, wie er es anstellen würde. Santiago kannte die Struktur und das Potenzial der durch das Arkan freigesetzten Kräfte besser als jeder andere in der Verborgenen Stadt und war davon überzeugt, dass es ihm gelingen würde, sie zu bändigen.
    Die hagere Gestalt des Kommissars erhob sich über dem Hang, der zum Fluss hinunterführte, und sein ausgestreckter Arm war auf den Thron der Kraft

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