Das Opfer
Werte.
Tapira richtete den Oberkörper auf und bändigte mit den Händen ihre schwarze Mähne. Dabei bemerkte Bogdan, wie sich das Weiße um ihre kohlenschwarzen Augen grün verfärbte. Ihre rhythmischen Bewegungen wurden schneller und gleichzeitig heftiger, fordernder. Die Liebenden gerieten in einen Rausch der Lust.
Tapira begann laut zu stöhnen. Ihre Augen hatten sich inzwischen in funkelnde Smaragde verwandelt, ihre Muskeln gewannen an Kontur, und an ihrer straff gespannten Haut traten Sehnen und Adern hervor. Die filigranen, langen Finger, die so sanft zu streicheln verstanden, schrumpften zu groben, krummen Klauen und die gepflegten Fingernägel wuchsen sich zu messerscharfen Krallen aus.
Doch nicht nur einzelne Teile, sondern der gesamte Körper der Frau verwandelte sich – äußerlich und innerlich. Und gerade jene inneren Veränderungen, die dem Auge verborgen blieben, veranlassten Bogdan, lustvoll zu stöhnen und ekstatische Verrenkungen auf dem schwarzen Laken zu vollführen.
Tapiras Gesichtszüge wurden schärfer, die Augenbrauenbögen wuchsen zu weit über die Augen gewölbten Wulsten, die Nase fiel ein und schrumpfte auf zwei schwarze Grübchen zusammen, die vollen Lippen verschmälerten sich und dazwischen sprossen zwei spitze Eckzähne hervor. Das Haar verschwand, die Ohren wurden spitz und legten sich eng an den Kopf, aus dem zwei gebogene Hörner wuchsen. Ohne ihre rhythmischen Bewegungen zu unterbrechen, hatte Tapira ihre Position verändert und lag jetzt nahezu parallel über Bogdan. Dieser Stellungswechsel war nicht etwa einer Laune geschuldet, sondern ergab sich gleichsam von selbst, denn an ihrer Kehrseite hatte sich ein dicker, mit mächtigen Dornen bewehrter Schwanz gebildet.
»Ich liebe dich!«, keuchte Bogdan.
Die Metamorphose war vollendet. Die Schwarze Morjane Tapira hatte ihre Kampfmontur angelegt, fauchte lüstern und verströmte das Aroma reifer Pfirsiche.
Voller Liebe und Leidenschaft sahen sich die beiden in die Augen. Der rothaarige Prachtkerl in der Blüte der Jahre und die Schwarze Morjane in Kampfmontur.
Der Schöne und das Biest.
Ihre innig verschlungenen Körper waren zu einer Einheit verschmolzen, und es schien, als ob nichts auf der Welt sie jemals trennen könnte. Die Spiegel in Tapiras Schlafzimmer verstanden davon nichts, machten sich jedoch um die vielfältige Darstellung dieses denkwürdigen Bildes verdient.
Es ist nicht leicht, den eigenen Tod hinzunehmen.
Besonders dann nicht, wenn du als erfahrener Krieger mitten im Leben stehst und dich der Tod nicht im Kampf ereilt, sondern quasi auf Befehl von oben. Du verlierst alles, was du hast. Magier wissen nur zu gut, dass sie keine zweite Chance bekommen. Nur gewöhnliche Sterbliche geben sich der Illusion hin, dass der Tod lediglich der Übergang in eine bessere Welt sei oder die Seele in einem anderen Körper wiedergeboren werde, mit anderen Worten, dass alles gar nicht so schlimm sei, wie es scheint. Für einen Magier ist die Sache vollkommen klar: Du lebst, solange du lebst, und dann gehen die Lichter aus. Die Welt stößt dich aus, wirft dich weg wie einen alten Lumpen. Und du kommst nie wieder zurück. Von dir bleibt nur die Erinnerung. Man wird dich als Helden in Erinnerung behalten.
Oder als niederträchtiges Schwein.
Selbst wenn die Missetat, die du begangen hast, deinen Volksgenossen zum Vorteil gereicht hat, werden sie dir niemals dankbar dafür sein. Sie werden sich schämen für dich und für das, was du getan hast. Denn moralische Prinzipien sind das Einzige, was eine Gesellschaft von einer Viehherde unterscheidet. Und ohne Moral gibt es keine Zukunft. An diesen Gedanken hat Bogdan sich geklammert, als er sich weigerte zu sterben. Er hat gegen die Interessen des Ordens gehandelt und dies vor sich selbst mit seinen Überzeugungen und seinem Verständnis von Ehre gerechtfertigt.
Kann man ein solches Verhalten als mutlos bezeichnen?
Niemand auf der Welt kann den Kriegskommandeur der Feigheit bezichtigen. Die einen nicht, weil sie schon tot sind, die anderen, weil sie sich in einer ähnlichen Situation genauso verhalten haben: Im Angesicht des Todes haben sie sich für das Leben entschieden.
Alle Übrigen können ihre Meinung für sich behalten. Bogdan hörte das Wasser plätschern. Während Tapira im Bad unter der Dusche stand, fuhr er liebevoll mit der Hand über das schwarze Laken. Es war immer noch warm vom Körper der heißblütigen Morjane. Was wäre mein Leben ohne Tapira, dachte er
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