Das Opfer
seine Lippen. »Ich liebe dich, Bogdan.«
»Ich liebe dich auch, Tapira.«
Ihre Bewegungen wurden schneller.
Das Portal hatte Bogdan im Bitza-Park ausgespuckt, wovon der Ritter jedoch erst viel später erfuhr. Er schlug halbblind und blutüberströmt auf einer Wiese auf und vergrub seinen hämmernden, von grünem Gift verätzten Kopf in den Armen. Der Abschiedsgruß der Königin hatte es in sich. Seine letzten magischen Reserven hatte der Kriegskommandeur für den Aufbau des Portals verbraucht, und so war sein Körper dem Kampfzauber der grünen Hexe schutzlos ausgesetzt. Was hatte diese schwache Hülle aus Muskeln, Knochen, Sehnen und Nerven der verheerenden Kraft der Magie entgegenzusetzen? Der Ritter litt höllische Schmerzen, hatte nicht einmal mehr die Kraft zu schreien und verlor das Bewusstsein.
Bogdan schaffte es.
Er überlebte.
Er überstand diesen Albtraum.
Der durchtrainierte Körper des Kämpfers hielt stand.
Niemand weiß, wie lange der Kriegskommandeur im Park auf der Wiese lag, doch irgendwann, mitten in der Nacht, kam er wieder zu sich. Sein Kopf fühlte sich leer an, und auf seinen Lippen klebte der salzige Geschmack von Blut. Er rappelte sich auf und irrte taumelnd durch die finstere Säulenhalle des Waldes, um nach Hilfe zu suchen. Und auf diesem Irrweg lief Bogdan einer Schwarzen Morjane in die Arme. Das bedeutete das Ende. In seinem Zustand gegen eine Morjane zu kämpfen war aussichtslos. Sein einziger Trost bestand darin, dass der Tod durch ein Wandelwesen weniger Schmach bedeutete als jenes Selbstmordattentat, zu dem der Großmagister ihn aufgehetzt hatte. Der Ritter lehnte sich kraftlos gegen einen Baum, bereit, sein Schicksal in Würde anzunehmen.
Die Bestie kam näher, und eine Wolke von Pfirsichduft hüllte Bogdan ein. Eine Schwarze Morjane in Kampfmontur! Die langen Krallen, die mächtigen Dornen am Schwanz und die gebogenen Hörner schimmerten gespenstisch im Mondlicht. Immer näher schob sich der Kopf des Ungeheuers an ihn heran und dann – trafen sich ihre Blicke. Die braunen, mandelförmigen Augen des Kriegskommandeurs und die tief in den Höhlen sitzenden, grünen Augen der Schwarzen Morjane sahen einander an. Eine Ewigkeit. Bogdan verließen die letzten Kräfte, doch bevor er abermals das Bewusstsein verlor, erblickte er in den grünen Augen die Seele des vermeintlich erbarmungslosen Monsters.
Warum tötete die Morjane den Ritter nicht?
Was hatte Tapira in seinen Augen gesehen? Was war ihr durch den Kopf geschossen? Was durchbrach das von Mordlust vernebelte Bewusstsein des Wandelwesens? Nach allgemeiner Überzeugung hatten Schwarze Morjanen in Kampfmontur sich nicht unter Kontrolle. Sie handelten nicht bewusst, sondern töteten wahllos, blindwütig und grausam.
Doch nun stellte sich heraus, dass sie auch Gefühle zeigen konnten.
Nach einer Woche kam Bogdan wieder zu sich. Und zwar in der Wohnung der Schwarzen Morjane Tapira. Das Erste, was er sah, waren die schwarzen Augen der schönsten Frau der Welt. Er versank in diesen Augen wie in einem tiefen Brunnen, und was er darin fand, war eine Mischung aus Angst, Hoffnung und Liebe.
Tapira wusste nicht, welche Gefühle ihr der erwachte Ritter entgegenbringen würde. Sie hatte mit dem Schlimmsten gerechnet: Angst und Schrecken, vielleicht Ekel und Hass. Doch aus seinem Blick sprachen Verständnis und Zuneigung.
Bogdan dachte nichts. Einer spontanen Regung folgend strich er mit der Hand über ihr schwarzes Haar.
An jenem Tag sprachen die beiden kein Wort miteinander, denn sie konnten auch in ihren Augen ablesen, dass sie füreinander bestimmt waren.
Niemand wäre auch nur im Traum auf die Idee gekommen, dass ein brillanter Kriegsmagier des Ordens, Ritter, Kriegskommandeur, engster Freund des Kriegsmeisters und verdienter Veteran sämtlicher Kriege des letzten Jahrhunderts, sich mit einer Schwarzen Morjane einlassen würde. In den Herrscherhäusern ließ man die Jugend an der langen Leine, doch man gab ihr klar zu verstehen, was ging und was nicht ging. Eheschließungen mit Abkömmlingen aus anderen Volksstämmen galten als ärgerliche Dummheit, und Bogdan machte sich keine Illusionen darüber, dass seiner Auserwählten der Weg in den Orden versperrt sein würde. Niemals hätte die sittenstrenge Gesellschaft des Herrscherhauses Tschud eine Morjane akzeptiert.
Doch das spielte nun keine Rolle mehr. Bogdan hatte in den Abgrund geschaut und eine zweite Chance bekommen. In seinem neuen Leben zählten andere
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