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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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ich ein und mach Gitarrensaiten draus,
dann kommt vielleicht sogar ein cooler Song dabei heraus.
Du hörst ihn dir an, spielst ihn einem Mädel vor, tanzt sogar darauf, doch es hat alles keinen Zweck …
    Vergnügen . Früher mochte Olga diesen Song der Gruppe Mumiy Troll nicht besonders, sie stand mehr auf die härteren Kompositionen der Band, doch an diesem Morgen passte das melodische Stück genau zu ihrer Stimmung.
Du hast dein Vergnügen, alles vergessen am Ende der Nacht,
denn da schweigt die Musik, und du hast mich umgebracht …
    Als der Song zu Ende war, drückte Olga die Wiederholungstaste. Sie hatte Lust, den Titel noch einmal zu hören.
    »Trinkst du noch einen Kaffee?«
    Artjom kam ins Wohnzimmer herein und sah Olga aufmerksam an.
    »Nein, vielen Dank.«
    Ihr neuer Leibwächter benahm sich zuvorkommend und verlor kein Wort über das, was zwischen ihnen gewesen war.
    Artjom erwartete, dass Olga selbst das Gespräch darauf bringen würde, doch bislang machte sie keine Anstalten dazu, und er befürchtete, dass es ihr vielleicht unangenehm wäre.
    Olga empfand die Erinnerung an die vergangene Nacht als wohltuend und bereute absolut nichts. Sie hatte sich nach einer starken Schulter gesehnt und sie auch bekommen. Noch dazu eine ziemlich brauchbare, wie sie mit einem Schmunzeln konstatierte. Doch sie wurde sofort wieder ernst, denn in ihrer Lage war das ein schwacher Trost.
    »Woran denkst du?«
    Woran sollte sie schon denken? Noch gestern Abend hatte sie unbeschwert ihre Runden mit den Inlineskates gedreht und mit jungen Männern geflirtet, heute war sie dazu verdammt, in ihrer eigenen Wohnung zu sitzen wie in einem Gefängnis, unter Polizeischutz und im Bewusstsein einer diffusen Bedrohung, die irgendwo im Raum schwebte, aber nicht zu greifen war. Die jüngsten Ereignisse muteten wie eine gut geplante Inszenierung an: der Überfall, die Flucht und die wundersame Rettung durch einen Helden, mit dem sie früher schon einmal etwas gehabt hatte und den sie auf diese Weise wiedertraf.
    »Artjom«, begann Olga unschlüssig.
    »Ja?«
    »Entschuldige, mir ist das peinlich, aber du hast mir deinen Ausweis nicht gezeigt.«
    »Kein Problem«, erwiderte der Söldner lächelnd und reichte ihr Dienstausweis und Polizeimarke.
    Die Produkte der Firma Schatyr-Print hielten jeder Überprüfung stand. Die Schatyren stellten nicht nur gefälschte Papiere her, sondern statteten ihre Kunden auch mit einer hieb- und stichfesten Legende aus: Die Angaben in Artjoms Dienstausweis waren zum Beispiel mit entsprechenden Einträgen in den elektronischen Datenbanken von Polizeipräsidium, Finanzamt, Pensions- und Sozialversicherungskassen unterfüttert. Überflüssig zu erwähnen, dass die Schatyren sich diesen Service mit teurer Münze bezahlen ließen. Im Falle eines begrenzten Budgets konnte man bei Schatyr-Print natürlich auch gefälschte Papiere ohne Legende erwerben. Doch Cortes hielt solcherlei Minimalismus für Sparen am falschen Fleck, und Artjom hatte in finanziellen Dingen vollstes Vertrauen in seinen umsichtigen Partner.
     
    Das Haus, zu dem man sie geschickt hatte, war leicht zu finden. Es handelte sich um einen hässlichen Wohnklotz in der Jablotschkow-Straße. Man hatte sie ausdrücklich instruiert, möglichst kein Aufsehen zu erregen, und die Umstände fügten sich günstig, denn die Fenster der fraglichen Wohnung befanden sich auf der Rückseite des Gebäudes und nicht auf der Vorderseite, wo sich etliche Humos tummelten: Passanten und Straßenarbeiter in orangefarbenen Sicherheitswesten. Im Hinterhof standen praktischerweise mächtige Bäume, deren Äste nahe ans Haus ragten und bis in den sechsten Stock reichten. Das genügte, denn sie musste nur in den dritten Stock.
    Mitara wählte den passenden Baum aus, überzeugte sich noch einmal, dass sie niemand beobachtete, schwang sich ins Geäst und verschwand im dichten Laubwerk.
    Aufmerksam und etwas ratlos betrachtete Olga den Dienstausweis. Offensichtlich sah sie ein solches Dokument zum ersten Mal.
    »Zufrieden?«
    »Ja. Entschuldige.« Sie gab ihm Ausweis und Dienstmarke zurück.
    »Kein Problem.«
    Die junge Frau stand auf, schaltete den CD-Player aus, blieb wie angewurzelt daneben stehen und seufzte.
    »Ich habe Angst.«
    »Kann ich verstehen.«
    Olga verschränkte die Arme vor der Brust, so als würde sie frieren, und Artjom spürte, dass sie Zuspruch brauchte. Er trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter.
    »Du brauchst keine Angst zu haben, Olga. Es wäre

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