Das Orakel der Seherin
informiert sind, weiß ich nur, weil ich sie belauscht habe.«
»Haben sie sie bei ihrem Namen genannt?«
»Sie haben von der Dunklen Mutter gesprochen, aber das ist das gleiche.« Ich schneide eine Grimasse. »Sie haben eine ganz schön üble Meinung von ihr.«
»Ohne Zweifel. Aber das wundert mich nicht, wenn Suzama in allem so genau war, wie du sie beschrieben hast.« Seymour kratzt sich am Kopf.
»Jedenfalls kannst du ihnen nicht sagen, daß du ein Vampir bist und Suzama persönlich gekannt hast. Damit sie dir glauben, müßtest du vermutlich vor ihren Augen Blut trinken, und danach würden sie unverzüglich losrennen, um ihre Waffen zu holen. Aber wenn du ihnen Kalika gut genug beschreiben kannst, könnten sie dir glauben und sie vielleicht finden. Wie viele von ihnen gibt es eigentlich?«
»Zwei Dutzend etwa. Und wenn sie alle bewaffnet sind, wie ich glaube, stellen sie damit schon eine kleine Armee dar.«
»Du könntest ihnen einige von deinen hochmodernen Waffen zur Verfügung stellen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, entgegne ich.
»Das einzige Problem ist, daß du den Aufenthaltsort deiner Tochter nicht kennst.«
»Da bin ich mir nicht sicher.« Ich berichte ihm, daß Kalika eine wundervolle Aussicht erwähnt hat – und von den Geräuschen des Pools unter ihr. Doch diese Information scheint Seymour eher zu beunruhigen.
»Sie hat die Aussicht erwähnt«, wiederholt er. »Zudem hat sie sich die Mühe gemacht, vor ihrem Anruf auf den Balkon zu treten. Sie weiß, wie hervorragend dein Gehör ist, und vermutlich weiß sie ebensogut, auf wie wenige Orte all diese Indizien weisen können. Macht dich das nicht ebenso stutzig wie mich?«
»Vermutlich ist es wirklich eine Falle. Und sie braucht nur auf uns zu warten.«
»Auf uns – und die gesamte Suzama-Society. Wenn sie dich letzte Nacht beobachtet hat, wird sie vielleicht vermuten, daß du Dr. Seter und seine Anhänger um Hilfe bitten wirst.«
»Ich weiß nicht, ob sie diese Leute überhaupt ernst nimmt. Sie fand die gestrige Vorlesung langweilig.« Ich überlege. »Und sie hat mir versprochen, daß sie nur töten würde, wenn es notwendig sei.«
»Oh, da bin ich aber erleichtert. Mir geht es gleich viel besser. Die Mutter der Dunkelheit verspricht der Vampirin, die zufällig ihre Mutter ist, daß sie nur auf üble Methoden zurückgreifen wird, wenn man sie nicht in Ruhe läßt. – Wenn ich dich richtig verstanden habe, hält die Suzama-Society es für ihre Aufgabe, Kalika zu töten. Deine Tochter wird kaum ruhig darauf warten, daß man sie mit Blei vollpumpt.«
Ich schüttle den Kopf. »Kalika ist in vielem sehr gefährlich, aber ich glaube nicht, daß sie mir in diesem Fall nicht die Wahrheit sagen würde.«
»Das hört sich ja fast so an, als ob du glaubst, daß sie dem Kind nichts tun wolle.«
»Nein. Offensichtlich will sie dieses Kind töten. Sie hat schon Morde begangen, um es zu finden. Und sie ist gewiß keine überdrehte Fanatikerin, die verrückte Dinge tut, damit die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wird. Aber das Versprechen, das sie mir gegeben hat, war etwas anderes. Tatsächlich hat sie mich sogar gefragt, ob sie irgend etwas für mich tun könne.«
»Trotz alledem: Die Suzama-Gang wird ihr schnellstmöglich eins auswischen müssen, wenn die Leute überleben wollen.«
»Ganz meiner Meinung. Aber sollten wir sie wirklich um Hilfe bitten und damit ihr Leben riskieren? Haben wir das Recht dazu?«
Er zuckt mit den Schultern. »Es ist ihre eigene Entscheidung.«
»Rede keinen Unfug. Egal, was du oder ich ihnen erzählen, sie werden erst verstehen, welch tödliche Gefahr von Kalika ausgeht, wenn sie ihr Auge in Auge gegenüberstehen.«
»Ich habe es wirklich so gemeint. Es ist ihre eigene Entscheidung, denn es geht hier um etwas, an das sie glauben. Sie widmen diesem Glauben ihr Leben.
Abgesehen davon: Überleg mal, was auf dem Spiel steht, falls das alles stimmt.
Wenn dieses Baby tatsächlich der wiedergeborene Christus ist, dann muß es der Welt erhalten bleiben. Die Welt braucht es! Kalika muß aufgehalten werden, egal, um welchen Preis!«
Ich nicke trostlos. »Damals, als sie noch ein Baby war, hast du fast das gleiche über sie gesagt.«
»Ja. Aber du wolltest ihr die Chance geben, sich zu entwickeln.« Er klopft mir auf die Schulter. »Tut mir leid, wenn ich das so deutlich sage. Ich glaube fest daran, daß wir alle Waffengewalt aufbringen müssen, derer wir habhaft werden können. Wir müssen Kalika noch
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