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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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beantwortet.«
    Ich stehe ebenfalls auf, trete zu ihm und lege eine Hand auf seine Schulter.
    »Du hattest zuviel Blut verloren. Nicht einmal ich konnte dich mehr retten.«
    Ich hole tief Luft. »Du bist in jener Nacht am Strand gestorben.«
    Ein gespieltes Lächeln gleitet über sein Gesicht. »Ach ja, ich vergaß. Ich bin Lazarus und von den Toten auferstanden.«
    »In meiner Tasche hatte ich ein Gefäß mit dem Blut des Kindes. Ich habe es im Krankenhaus gestohlen, nachdem die Schwester Blutproben von den Babys genommen hatte. Dieses Gefäß habe ich mit in die Berge genommen.«
    »Warum hast du mich überhaupt dorthin gebracht? Das hast du mir niemals erklärt.«
    »Ich wollte deinen Leichnam verbrennen. Du mußt dich doch daran erinnern, daß du auf einem großen Holzstapel lagst, als du erwacht bist.« Ich drücke sanft seine Schulter. »Seymour.«
    Er zuckt zusammen und beginnt zu zittern. »Das stimmt doch alles nicht. Du erfindest es nur. Ich war nicht tot. Wie sollte ich dann jetzt wieder leben? Verflucht, Sita, lüg mich nicht an! Du erschreckst mich zu Tode mit deinen Geschichten.«
    Ich bleibe ruhig, denn ich kann seinen Ausbruch nur zu gut verstehen.
    »Gerade als ich das Feuer anzünden wollte, überkam mich ein äußerst merkwürdiges Gefühl. Ich hielt diese Flamme, sah auf dich nieder, und immer wieder ging mir durch den Kopf, daß du einfach nicht tot sein dürftest. Dann erinnerte ich mich an die Blutprobe und nahm sie aus meiner Tasche. Ein bißchen von dem Blut habe ich über deine Wunden geschüttet, ein wenig ließ ich in deine Kehle rinnen. Dann entfernte ich mich ein paar Schritte davon, verbarg mich hinter einem Baum und betete zu Gott, daß alles in Ordnung kommen möge.« An dieser Stelle trete ich wieder neben ihn und lege den Arm um seine Schultern. Unser beider Augen sind feucht. »Und du hattest recht, Seymour. Es war ein Wunder. Du hast dagesessen, als ob nichts gewesen wäre.«
    Ich küsse ihn auf die Wange und flüstere ihm das folgende ins Ohr: »Ich würde dich nicht anlügen, was das hier angeht, das weißt du genau. Diejenigen, die ich liebe, belüge ich nicht.«
    Er zittert noch immer. »Aber ich kann mich an nichts von alledem erinnern.«
    »Vielleicht ist das Teil des Wunders. Vielleicht ist es besser so.«
    Er sieht mich an, und sein Gesicht wirkt wie das eines traurigen kleinen Jungen. »Sie hat mich wirklich getötet?«
    »Ja.«
    »Und das Blut dieses Babys hat mich wieder lebendig gemacht?«
    »Ja.«
    Er ist nicht nur schockiert, sondern auch voller Ehrfurcht. »Das würde bedeuten…« Er beendet den Satz nicht.
    »Ja.« Ich lege mein Gesicht an seine Brust und trockne meine Tränen an seinem Bademantel. »Ich kann nicht zulassen, daß meine Tochter Paula oder das Baby findet. Ich muß sie aufhalten, und die einzige Möglichkeit, die ich habe, ist die, sie zu töten.«
    Seymour streicht mir übers Haar. Jetzt ist er es, der mich tröstet. Wir ergänzen einander wirklich hervorragend.
    »Ist es überhaupt möglich, sie zu töten?« fragt er.
    Ich hebe den Kopf. »Ich glaube schon, ja. Sogar Yaksha war schließlich sterblich.«
    »Aber sie ist mächtiger als Yaksha, das hast du selbst gesagt.«
    Ich wende mich ab und schaue durch das Fenster auf den unendlichen Ozean.
    »Sie braucht Blut, um zu überleben«, sage ich. »Sie hat Bedürfnisse, die gestillt werden müssen, genau wie Menschen. Deshalb gehe ich davon aus, daß sie verletzlich ist – und sterblich.«
    »Du denkst an die Automatikpistolen?« Offenbar erholt er sich schon wieder von seinem Schock, und einmal mehr erstaunt mich seine enorme innere Stärke.
    Jetzt ist er ein Gläubiger, auch wenn er es niemals zugeben würde. Vielleicht hat auch Lazarus behauptet, daß er niemals tot gewesen sei. Um Himmels willen, Jesus, ich hatte doch nur eine Erkältung. Ja, aber warum riechst du dann so schlecht, Lazarus?
    Noch immer wende ich meinen Rücken Seymour zu.
    »Ich habe daran gedacht, sie um Hilfe zu bitten«, gestehe ich. »Aber dazu müßte ich ihnen vorher sehr vieles erklären, vielleicht sogar sagen, wer ich bin.
    Möglicherweise müßte ich ihnen eine Demonstration meiner Fähigkeiten bieten.«
    »Und das darfst du nicht tun. Nachdem sie Kalika getötet hätten, würden sie auch dich töten, nur um ganz sicher zu sein.« Seymour denkt nach. »Wird Kalika in diesem Text irgendwie beschrieben?«
    »Das ist eine gute Frage. Ja. Aber sie haben mir diesen Teil der Schrift nicht gezeigt. Daß sie über Kalika

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