Das Orakel der Seherin
heute finden. Wenn uns das gelingt und wir es überleben, sprechen wir mit Doktor Seter. Er wird uns zuhören. Fragt sich nur, wie weit wir gehen müssen, um ihn zu überzeugen.«
»Gibt es irgend etwas, das ich für dich tun kann, Mutter?«
Man spürt den Schmerz in meiner Stimme, als ich jetzt spreche.
»Dieses Kind ist etwas Besonderes, daran gibt es keinen Zweifel. Aber für mich ist auch Kalika etwas Besonderes, selbst wenn sie böse ist.« Mein Kinn sackt auf die Brust. »Ich weiß nicht, was ich mir für unsere Aktion wünschen soll: daß sie gelingt – oder scheitert.«
7.
KAPITEL
Bei einem ortsansässigen Makler erfahre ich, daß es in Los Angeles nur etwa ein Dutzend hohe Apartmenthäuser mit großen Pool gibt. Dasjenige mit dem größten Pool befindet sich in Century City, genauer gesagt am Century City East Park. Seymour und ich beschließen, zuerst dorthin zu fahren. Es ist eine sehr exklusive Anlage, mit zwei Türmen, die beide etwa zwanzig Stockwerke hoch sind. Es gibt einen bewachten Parkplatz, eine Sporthalle, einen Tennisplatz und zudem einen wundervoll angelegten Pool. Ich überlasse meinen Wagen dem Parkwächter, dann schaue ich mich um. Mein Weg führt jedoch nicht schnurstracks zu der Dame im Empfangsbereich.
»Du hast vollkommen recht, daß dies eine Falle sein könnte«, sage ich zu Seymour, der darauf bestanden hat, mitzukommen und sich umzuschauen.
»Aber vielleicht weiß sie auch nicht, was wir vorhaben. Und ich beabsichtige keineswegs, offiziell zum Empfang zu gehen und zu fragen, ob eine Frau ihres Namens hier wohnt.«
»Vermutlich hat sie sich hier oder anderswo ohnehin mit falschem Namen eingetragen. Hast du ein Foto von ihr dabei?«
»Ja. Ich habe mehrere Fotos von ihr, die sie als Erwachsene zeigen. Aber so möchte ich nicht vorgehen. Wenn wir der Frau am Empfang Kalikas Foto zeigen und sie nach ihr befragen, erzählt sie Kalika vermutlich sofort, daß sich jemand nach ihr erkundigt hat, wenn sie sie sieht. Diese Leute sind dazu angehalten, das zu tun. Ich würde mich lieber zuerst in der Tiefgarage umsehen.
Wenn Kalika ein Auto hat, dürfte das noch ziemlich neu sein. Vermutlich bin ich auch in der Lage, ihren Geruch daran zu erkennen.«
»Möglicherweise ist sie nicht da.«
»Das kann schon sein. Trotzdem möchte ich es versuchen.«
Wir machen uns auf den Weg nach unten. Unsere Kleidung ist teuer wie die der wohlhabenden Leute, die hier wohnen, und so nimmt niemand Notiz von uns. Auf der zweiten Tiefgaragenebene fällt mein Blick auf einen neuen weißen Mercedes. Von meiner Position aus, etwa fünfzehn Meter von dem Wagen entfernt, kann ich den Geruch meiner Tochter unmöglich erkennen. Doch irgend etwas an dem Auto zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Mir kommt es fast vor, als ob es bestimmte Schwingungen aussendet. Meine Tochter hat eine sehr kraftvolle Aura.
Einen Moment später stehen wir vor dem Wagen.
»Wenn das ihrer ist«, sagt Seymour, »hat sie einen guten Geschmack.«
»Ich muß das Innere riechen«, erkläre ich.
Seymour deutet auf ein kleines rotes Lämpchen, das im Innenraum des Wagens blinkt. »Paß auf, daß du nicht den Alarm auslöst.«
»Ja«, murmele ich, während ich meine Handinnenflächen gegen das Fahrerfenster lege. Sehr langsam drücke ich die Scheibe nach innen. Dann bildet sich ein Riß, ich lasse los und rieche daran. Mir fällt ein leichter Moschusgeruch auf – laut Aussage der Vedas Kalis Duft. Aber ich brauche dieses Wissen nicht, um mich an den Geruch meiner Tochter zu erinnern. Der Duft läßt mich in nostalgische Wehmut versinken – ich weiß nicht, warum. Ray und meine geliebte Tochter haben nie zugelassen, daß wir eine normale Familie werden.
Denn er war ein Geist – und sie ein Dämon. Ich schaue Seymour an. »Das ist ihr Wagen.«
Diese Auskunft scheint ihn nicht gerade zu begeistern. Mag sein, daß er sich nicht an den Pfahl in seinem Rücken erinnert, aber schließlich war er dabei, als Kalika Erics Schlagader öffnete. Vorsichtig verwische ich die Abdrücke meiner Hände auf der Wagenscheibe. Der Riß ist so fein, daß man ihn kaum sieht.
»Wir sollten besser machen, daß wir wegkommen«, sagt er nachdenklich.
Ich suche nach der Nummer der Parklücke, auf der Kalikas Wagen steht.
»1821. Das ist wahrscheinlich auch die Nummer ihres Apartments. Wir müssen das Gebäude bewachen.«
»Das dürfte von hier unten aus kaum möglich sein«, entgegnet Seymour rasch.
»Stimmt. Wir gehen jetzt zu dem Bürogebäude auf
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