Das Orakel der Seherin
Alisa?«
Seymour zuckt mit den Schultern. »Wir sind alte Freunde.«
James wendet sich zu mir. »Keiner von euch beiden hat uns bisher seinen Nachnamen genannt. Wir haben keine Möglichkeit, Informationen über euch einzuholen. Wir wissen noch immer nicht, ob ihr nicht doch für die Regierung arbeitet.«
»Die Namen, die wir Ihnen genannt haben, sind falsch«, erkläre ich. »Wären Sie daran interessiert, auch einen falschen Nachnamen von uns zu hören? Gewiß können Sie unsere Vorsichtsmaßnahmen verstehen. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Wir können noch endlos weiterreden, aber letztlich haben wir nur eine Möglichkeit, Sie davon zu überzeugen, daß wir die Dunkle Mutter gefunden haben, und die besteht darin, Sie zu ihr zu führen. Und dann gibt es nur noch zweierlei: Entweder Sie sind bereit, sie zu töten, oder Kalika tötet Sie.
So einfach ist das. Sie verlieren nichts, wenn Sie mir vertrauen und sie aufspüren. Das sollten Sie allerdings nur dann tun, wenn Ihre ›Streitkräfte‹ sozusagen bereitstehen.«
Dr. Seter runzelt die Stirn. »Wir haben keine Streitkräfte.«
»Sie sind ein schlechter Lügner, Doktor«, erkläre ich. »Das FBI weiß von Ihren Schießübungen und Ihren Automatikwaffen. Es hat nicht eingegriffen, weil die Agenten – genau wie mein Freund – von den Schriften Suzamas wissen und darüber informiert sind, auf was Sie sich vorbereiten. Aber die Agenten, die über alles im Bilde waren, sind tot. Kalika hat sie getötet. Aus diesem Grund ist Ihre Gruppe in Gefahr, sowohl politisch als auch spirituell. Möglicherweise halten Sie und Ihr Sohn auch mich für eine Gefahr – von der Dunklen Mutter gesandt, um Sie in eine Falle zu locken. Vielleicht ist sogar ein Körnchen Wahrheit darin. Ich arbeite nicht für Kalika, aber wenn Sie sich dafür entscheiden sollten, ihr entgegenzutreten, kann es sein, daß sie Sie alle auslöscht. Seymour hat nicht übertrieben, als er ihre Kräfte beschrieben hat.
Aber Sie haben eine Chance, zumindest dann, wenn Sie zuerst zuschlagen und das mit aller Kraft. Zuerst allerdings müssen Sie Ihren Leuten erklären, wie hoch das Risiko ist, das sie eingehen. Sagen Sie ihnen, daß selbst mehrere Dutzend Polizisten und Marines Kalika nicht aufhalten konnten.«
Dr. Seter schüttelt den Kopf. »Das alles geht mir zu schnell. Heute nacht können wir nichts unternehmen. Das steht ganz außer Frage.«
Ich will ihn nicht durch meine besonderen Fähigkeiten beeinflussen. Ich will, daß er seine eigene Entscheidung trifft, denn ich glaube nicht, daß ich über-treibe, wenn ich sage, daß bei dem Angriff auf Kalika viele seiner Leute sterben könnten.
»Sie wußten, daß der Zeitpunkt kommen würde, an dem Sie handeln müssen, und das schnell und ohne Verzögerungen«, erkläre ich sanft. »Sie hält sich gerade in Los Angeles auf, in einem Apartmenthaus mit einem wundervollen Blick auf die City. Wir waren heute nachmittag in ihrer Wohnung.«
»Sie hat Ihnen gesagt, wo sie lebt?« fragt James mißtrauisch.
»Nein. Aber sie hat einen Fehler gemacht, als sie mich anrief. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Darum waren Seymour und ich in der Lage, herauszufinden, wo sie wohnt.«
James bleibt hartnäckig. »Ihr habt ihren Anruf zurückverfolgt?«
»Und das ziemlich wörtlich«, bestätige ich. »Dr. Seter, das hier ist die Wahrheit. Ich weiß, Sie haben so oft über dieses Thema gesprochen, daß es dadurch gewissermaßen schon an Realität eingebüßt hat. Aber Sie müssen nur eines tun, um zu sehen, wie real es ist: Sie und Ihre Gruppe müssen heute abend mit mir kommen, und Sie werden sehen, wie sich eine fünftausend Jahre alte Prophezeiung erfüllt.«
Er betrachtet mich. »Sie sind keine normale junge Frau Alisa, das spüre ich.
Etwas in Ihrem Gesicht, in Ihrer Stimme und Ihren Augen sagt es mir. James hat es schon letzte Nacht festgestellt, und jetzt erkenne ich, was er gemeint hat.« Er unterbricht sich und stellt mir schließlich eine Frage, die ihn sehr beschäftigt:
»Woher sollen wir wissen, daß nicht Sie die Dunkle Mutter sind?«
Ich lächle traurig. »In manchen Nächten glaube ich das fast selbst. Und wenn es so wäre, sollten Sie meinen Ratschlag erst recht beherzigen.« Ich beuge mich vor und berühre sein Knie. »Vertrauen Sie Suzamas Prophezeiung. Vertrauen Sie Ihrem eigenen Gefühl.« Ich blicke ihn eindringlich an. »Ihr ganzes Leben ist in den letzten Jahren auf diesen einen Moment zugesteuert, der jetzt gekommen ist.«
Über Dr.
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