Das Orakel der Seherin
Alpha Top an der Fassade in Richtung der zwei Balkone abzuseilen. Sie erreichen ihr Ziel innerhalb von Sekunden, und ich sehe zu, wie sie die Seile von ihren Gürteln lösen. Jeder von ihnen trägt eine Waffe, einen Sender im Ohr und ist mit einem Nachtsichtgerät ausgestattet. Der Anführer von Alpha Top meldet sich erneut.
»Control, wir sind jetzt in Position. Over.«
»Er sollte nicht reden«, erkläre ich an James gewandt. »Kalika wird ihn hören.
Sie sollten sich jetzt lieber auf den Angriff vorbereiten. Sagen Sie ihnen, daß sie ihre Waffen in Anschlag halten sollen. Kalika kann sie jeden Augenblick attackieren.«
James ignoriert mich. Er spricht in seinen Sender.
»Alpha Top, hier ist Control. Haltet euch zum Angriff bereit. Over.«
Da Kalika ein Eckapartment mit Balkonen auf verschiedenen Seiten bewohnt, können sich die zwei Gruppen auf den Balkonen nicht sehen. Diese Tatsache bedeutet eine Schwachstelle im Plan. Jeder sollte in jedem Augenblick erkennen können, was der andere tut. Die Verständigung per Sender ist mir nicht schnell genug. Ich höre, wie James mit seinen Instruktionen fortfährt.
»Alpha Bottom, hier ist Control. Geht jetzt zu Suite 1821. Alpha Top hat auf den Balkonen Stellung genommen. Over.«
»Control, hier spricht Alpha Bottom. Wir haben verstanden. Over.«
Die zehn Leute des Alpha Bottom-Teams werden einander auf ihrem Weg durch den Flur im Weg stehen. Ich weise James darauf hin und schlage vor, daß er die Hälfte ihre Position bei den Aufzügen halten lassen soll. Aber er wischt meine Bemerkung einfach beiseite.
»Sie wissen genau, was sie tun«, erklärt er. »Sie werden sich nicht gegenseitig erschießen.«
»Sie wissen nicht, wie schnell sich Kalika bewegen kann«, wende ich ein. »Je mehr Platz sie haben, desto besser können sie zielen.«
»Ich möchte, daß jemand von Alpha Bottom zuerst mit ihr spricht«, mischt sich Dr. Seter ein. »Wir müssen ihr sagen, daß sie eingekesselt ist und es unmöglich ist zu fliehen.«
»Sie kennt nicht den Unterschied zwischen möglich und unmöglich«, murmelt Seymour. »Es ist ein Fehler, sich bemerkbar zu machen.«
James blickt mich an. »Sind Sie auch dieser Meinung?«
Vor meinem geistigen Auge taucht das Bild von Kalika auf, die, von Kugeln durchlöchert, auf dem Bett liegt.
»Das bin ich.« Ich wende mich an Dr. Seter. »Es macht keinen Sinn, mit ihr zu sprechen. Glauben Sie mir!«
Dr. Seter zittert. »Aber das wäre kaltblütiger Mord.«
»Ich denke, wir sollten auf das hören, was Alisa sagt«, erklärt James. Bevor noch jemand protestieren kann, schaltet er seinen Sender ein. »Alpha Top und Alpha Bottom, hier spricht Control. Bei fünf werden wir angreifen. Eins … zwei
… drei…«
Weiter kommt er nicht.
Ein lautes Geschrei ertönt.
Wir hören es über den Sender und durch die Luft.
Als wir hinuntersehen, erkennen wir, daß der weiter von uns entfernte Balkon leer ist – zumindest finden sich keine Leute der Suzama-Vereinigung mehr darauf. Statt dessen steht Kalika allein dort, und ihr dunkles Haar sowie ihr weißes Gewand flattern im Wind. Unterhalb sehen wir drei in Schwarz gekleidete Leute in Richtung Swimmingpool fallen. Sie stürzen in den Tod, und sie wissen es. Das flache Wasser wird den Fall aus dieser Höhe nicht auffangen können. Ihre Entsetzensschreie hallen durch die Luft, und ich verfluche mich selbst, weil ich geglaubt habe, daß Kalika einfach daliegen und auf den Tod warten würde.
Die drei landen im Wasser, einer über dem anderen, und ich höre, wie beim Aufprall ihre Knochen und Schädel bersten. Der Pool ist gut beleuchtet, und ich sehe, wie sich sein Wasser rot färbt. Das Geschrei verebbt. Ich wende mich James zu.
»Stoppen Sie den Angriff!« schreie ich. »Ziehen Sie Ihre Leute so schnell wie möglich ab. Vielleicht läßt sie sie gehen, wenn sie erkennt, daß sie sich zurückziehen.«
James starrt entsetzt auf das von Blut gerötete Wasser des Pools.
»Das ist unglaublich«, murmelt er.
Ich packe ihn am Arm. »Ich habe mich geirrt! Wir können sie nicht auf diese Weise aufhalten. Sagen Sie ihnen, daß sie abbrechen sollen.«
Er blickt mich an und runzelt die Stirn. »Nein. Wir haben den Angriff eben erst begonnen.« Er packt die beiden Scharfschützen, die vor uns hocken, an den Schultern. »Eröffnet das Feuer.«
Ihre Kugeln prallen am Balkon ab. Kalika geht wieder nach drinnen.
»Alpha Top!« schreit James in seinen Sender. »Sie kommt. Achtung!«
Zu spät. Bevor James
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