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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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in seinem ganzen Körper verteilt.
    Dreimal schienen wir ihn fast besiegt zu haben, aber er kam jedesmal wieder.«
    Sie schluckt hart. »Die Ärzte sagten, daß er höchstens noch drei Monate zu leben hätte.«
    »Ich verstehe.« Fassungslosigkeit breitet sich in mir aus. Eric hatte mir gesagt, daß es ihm nicht gutgehe. Kalika hatte das gleiche gesagt. Tatsächlich hatte sie sogar angedeutet, daß dies einer der Gründe sei, warum sie ihn getötet habe. So daß er demnächst in ein besseres Leben hineingeboren werden könne.
    »Ich bin deine Tochter. Du solltest mir glauben. Ich glaube dir selbst dann, wenn ich spüre, daß du mich belügst.«
    Vielleicht hat Kalika mir die Wahrheit gesagt.
    Mrs. Hawkins schluchzt leise vor sich hin.
    »Am Tag von Erics Tod haben zwei Polizisten bei uns geklingelt«, sage ich.
    »Sie haben ihn gesucht, aber die Person, von der ich Ihnen erzählt habe –
    diejenige, die Ihren Sohn getötet hat –, überzeugte die beiden, mit ihr wegzufahren. Ich habe diese Männer niemals wieder gesehen. Ich bin davon ausgegangen, daß die Frau sie ebenfalls getötet hat. Aber ich habe niemals etwas in der Zeitung darüber gelesen. Und Sie wissen ja, wie groß im allgemeinen über Polizistenmorde berichtet wird. Hat die Polizei im Gespräch mit Ihnen über den Tod Ihres Sohnes irgend etwas davon gesagt, daß zwei Ihrer Leute verschwunden seien?«
    Mrs. Hawkins wischt sich übers Gesicht. »Nein.«
    Ich spreche weiter, diesmal mehr zu mir selbst. »Glauben Sie nicht auch, daß sie es getan hätten, wenn es so wäre? Das heißt, falls das Verschwinden der zwei Leute für die Polizei in irgendeinem Zusammenhang mit dem Tod Ihres Sohnes gestanden hätte.«
    »Das sehe ich auch so. Vielleicht ist den beiden Polizisten gar nichts passiert.«
    Ich greife wieder nach dem angebissenen Plätzchen, während ich weitergrüble.
    »Wie bist du mit den Polizisten zurechtgekommen?«
    »Bestens.«
    »Geht es ihnen gut?«
    »Du brauchst dir ihretwegen keine Sorgen zu machen, Mutter.«
    »Vielleicht ist ihnen wirklich nichts passiert«, sage ich.
    Vielleicht habe ich mich die ganze letzte Zeit um die falschen Dinge gesorgt.
    14.
    KAPITEL
    In jener Nacht, in der ich mich in einen Vampir zurückverwandelt habe, habe ich nach einem Rest von Yakshas Blut gesucht, das mir sozusagen als Katalysator dienen sollte. Der einzige Ort, an dem ich meiner Meinung nach damals danach suchen konnte, war der Eiswagen, in dem Eddie Fender Yakshas gemarterten Körper tiefgekühlt aufbewahrte. In ihm fand ich das Blut, das ich brauchte – gefroren. Bevor ich es im Kühlraum vom Boden kratzte, führte ich ein höchst ungewöhnliches Gespräch mit einem älteren Landstreicher mit dünnem weißem Haar und einem ungewaschenen Gesicht. Es ging ihm offensichtlich nicht besonders. Doch als ich ihn ansprach, reagierte er, als ob er mich erwartet habe.
    »Sie sehen heute abend sehr hübsch aus. Aber ich weiß, daß Sie es eilig haben.«
    »Woher wissen Sie, daß ich nicht viel Zeit habe?«
    »Ich weiß eben das eine oder andere. Sie brauchen etwas aus diesem Truck.
    Ich habe ihn für Sie bewacht.«
    »Seit wann sind Sie schon hier?«
    »Genau kann ich Ihnen das nicht sagen. Ich glaube, ich habe hier gewartet, seitdem Sie das letztemal hier waren.«
    Es war höchst ungewöhnlich, daß der Eiswagen noch hier war. Ich hatte angenommen, daß die Polizei ihn schon vor Wochen abgeschleppt haben müßte.
    Aber der Truck stand nicht nur da, das Kühlaggregat lief sogar noch, und der heimatlose alte Mann deutete an, daß er es für mich am Laufen gehalten habe.
    Das war entscheidend, denn wenn das Blut geschmolzen wäre und sich zersetzt hätte, hätte ich nichts mehr damit anfangen können. Ich wäre dann nicht in der Lage gewesen, mich in einen Vampir zurückzuverwandeln. Und ich hätte keine besonderen Fähigkeiten mehr besessen, die mich in die Lage versetzten, das Kind zu beschützen.
    Die große Frage war …
    Hatte der heimatlose alte Mann das gewußt?
    Irgend etwas hatte er gewußt, daran gab es keinen Zweifel.
    Das größere Rätsel war, woher er es gewußt hatte.
    Als die Sonne untergeht und ich nicht weiß, wohin ich ansonsten gehen soll, kehre ich in die Straße zurück, in der ich dem alten Mann begegnet bin. Zu meinem größten Erstaunen finde ich ihn nahe der Stelle, an der der Eiswagen damals geparkt war. Der Wagen steht nicht mehr da, aber der alte Mann wirkt unverändert. Tatsächlich trinkt er gerade wieder eine Tüte Milch – wie

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