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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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gehabt, sie alle zu erwischen. Hätte er doppelt so viele geschickt, wären Suzama und ich nicht mehr am Leben gewesen. In der Tat fragte ich mich, warum er es nicht getan hatte, und ich kam zu dem Entschluß, daß die Attacke eine Warnung für mich hatte sein sollen.
    So schickte ich einen Boten, der ihm ausrichten sollte, daß ich mich freute, ihn zu treffen.
    Mit Sicherheit hatte er vor, mich zu töten, genauso wie ich ihn töten wollte.
    Bevor ich in die Wüste aufbrach, sprach ich noch mit Suzama, um ihr meine Pläne mitzuteilen. Sie befand sich in ihrem Raum im Tempel, der im hinteren Teil gelegen war, und wirkte besonders nachdenklich. Als ich eintrat, schrieb sie gerade etwas auf, doch sie legte den Papyrus beiseite, so daß ich nicht sehen konnte, um was es sich handelte. Sie begrüßte mich nicht so herzlich wie sonst.
    Bevor ich anfangen konnte zu sprechen, fragte sie mich, warum ich für einen Gang in die Wüste gekleidet sei.
    »Du irrst dich, wenn du glaubst, daß deine Feinde in irgendeiner Form tugendhafte Absichten hegen«, sagte ich. »Ich bin es langsam leid, immer auf der Hut sein zu müssen. Heute nacht treffe ich mich mit Ory in der Wüste. Er hat den Treffpunkt ausgewählt, aber dieser ist mir wohlbekannt. Wenn der Kopf besiegt ist, stirbt auch der Körper. Unser Zwist wird heute nacht enden.«
    Doch Suzama schüttelte den Kopf. »Dies ist nicht mein Wille. Du hast mich nicht um meine Zustimmung gefragt. Die Sterne verkünden für heute nacht besonderes Unheil. Sage das Treffen ab.«
    Ich ließ mich neben ihr nieder. Sie verschwand fast inmitten der großen Seidenkissen. Sie trug ein weißes Gewand und einen blauen Schal. In diesen hineingewebt waren Goldfäden, welche die Sternenkonstellationen am Himmel wiedergaben, sogar die, welche man vom Ende der Welt sah. Suzama sagte, daß sie diese in ihren Visionen gesehen habe. Ich hatte keinen Zweifel daran, daß diese richtig waren – solange sie nicht Ory und seine Anhänger betrafen. Also schüttelte ich jetzt den Kopf.
    »Ich habe dir niemals gesagt, wie viele seiner Leute ich letzte Woche erschlagen habe«, erklärte ich.
    »Wie viele?«
    »Zehn.«
    Sie verzog das Gesicht. »Hier drinnen?«
    »Glücklicherweise bin ich mit den meisten von ihnen draußen fertiggeworden. Aber es werden immer mehr kommen, wenn ich Ory nicht töte.«
    »Aber du kennst Ory nicht. Du weißt nicht, wer oder was er ist.«
    »Natürlich weiß ich das. Er ist ein Setian.«
    Suzamas Stimme klang ernst. »Er ist ein wahrhaftiger Setian. Genausowenig wie du menschlich bist, ist er es. Diejenigen, die er geschickt hat, um uns zu töten, waren nur Schüler.« Sie zögerte, bevor sie weitersprach. »Ich fürchte, er ist nicht von dieser Welt.«
    »Das macht mir nichts«, entgegnete ich. »Wenn er allein kommt, kann ich mit ihm fertigwerden. Wenn nicht, werde ich entscheiden, was ich zu tun habe.
    Doch ich weiß, daß ich mich ihm stellen muß. Es wäre dumm, noch länger zu warten.«
    Suzama wirkte nachdenklich. »Weisheit folgt nicht immer den Gesetzen der Logik.«
    »Ich besitze nicht deine Weisheit; folglich kann ich nur anhand dessen entscheiden, was ich sehe und weiß.«
    Sie strich über mein Bein.
    »Weißt du, daß ich dieses Gespräch vorausgesehen habe? Und nichts von dem, was ich dir sage, wird deine Meinung ändern. Du wirst sie nicht ändern, weil du bist, was du bist, und weil die Sterne gerade in einer besonderen Konstellation stehen. Sie geben vor, dich zu unterstützen, doch sie tun es nicht.«
    Sie zögerte, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme, als wäre sie weit entfernt: »Sie stehen in der gleichen Konstellation wie in jener Nacht, als du zum Vampir wurdest.«
    Ich war schockiert. »Ist das wahr?«
    Sie nickte ernst. »Die Schlange schlängelt sich durch den Wald, die Eidechse durch den Sand. Es ist das gleiche.« Sie drückte mein Bein, und ich sah, daß ihre Augen feucht waren. »Heute nacht ist für dich erneut der Zeitpunkt für eine Verwandlung gekommen. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    »Ja. Der Tod ist die größte aller Verwandlungen. Ory könnte mich töten.«
    »Ja. Es ist möglich.«
    »Aber du weißt es nicht sicher?«
    Sie antwortete nicht gleich.
    »Nein. Die Göttliche Mutter zeigt mir die Antwort nicht.« Sie schüttelte sich und schien vorübergehend wieder auf den nüchternen Boden der Tatsachen zu-rückzukehren. Sanft küßte sie mich auf die Wange. »Worte sind heute nacht nutzlos, sogar geschriebene Worte. Geh also,

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