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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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wäre, dich zu beherrschen. Vor allem anderen muß ein Setian seine Untertanen kontrollieren.«
    »Töte mich, dann sind wir beide fertig. Ich bin es müde, mit dir zu reden.«
    Er lächelte sanft. »Du wirst nicht so einfach sterben. Ich weiß, wie schnell deine Wunden heilen, doch ich weiß auch, daß eine tiefe Wunde um ein Messer wie dieses nicht heilen kann, wenn seine Klinge vergiftet ist. Ich werde es irgendwo in deinen wundervollen Körper einpassen.«
    Damit stach er mir in den Unterleib, und die Klinge brannte eisig wie von den Tränen ungezählter Opfer vor mir. Jetzt wußte ich, daß die Geschichten, die man sich über ihn und sein Messer erzählte, wahr waren. Er hatte zahllose Augen herausgestochen und sie vor seinen Opfern aufgegessen. Aber mich würde er nicht blenden, denn er wollte, daß ich die Sonne sah, wenn sie aufging
    – und die Millionen von Fliegen auf meinem Körper. Sein Gift wirkte nicht gleich, sondern gemächlich, um den Todesschmerz qualvoll in die Länge zu ziehen.
    Ich bemerkte, daß die roten Sterne nicht länger am Himmel standen.
    Ory erhob sich und stieg auf sein Kamel.
    »Die Erde bewegt sich in der Stadt genauso langsam wie hier«, erklärte er.
    »Wenn die Sonne hoch am Himmel steht, wird der Tempel der Isis mitsamt deiner kostbaren Suzama dem Boden gleichgemacht sein. Vielleicht wirst du seine Zerstörung sogar bis hierhin hören. Und vergiß nicht, daß die Fliegen, die sich hier ernähren, stets hungrig sind und daß es nicht lange dauern wird, bis du ihr Gesellschaft leistest.«
    »Ory!« rief ich, als er davonritt.
    Er zögerte. »Ja, Sita?«
    »Ich werde dich irgendwann wiedersehen. Es ist noch nicht vorbei.«
    »Für dich ist es das.« Er lachte laut, als er seinen Weg fortsetzte.
    Die Sonne ging auf, und die Fliegen kamen. Meine Wunde blutete, und mein Schmerz wurde stärker und stärker. Der Wüstenwind erschien mir wie Feuer, und vom Himmel schien es Pfeile zu regnen, so groß war meine Qual. Das Geräusch der unzähligen Fliegen, die sich von meinem Blut nährten, trieb mich fast in den Wahnsinn.. Die Insekten beschmutzten nicht nur meinen Körper, sondern ebenso meine Seele. Alles, auf was ich warten konnte, war die Mittagszeit, wenn die Sonne hoch am Himmel stand – und meine Freundin sterben würde. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß ich etwas von den entsetzlichen Ereignissen hören würde.
    Der Tag schritt fort. Das Atmen wurde mir zum Alptraum, das Leben zur größten möglichen Tortur. Zum erstenmal betete ich darum, endlich sterben zu dürfen. Und ich verfluchte Krishna. Wo war jetzt seine vielgerühmte Gnade?
    Ich war ihm gegenüber nicht ungehorsam gewesen. Er hatte mir einen Feind gegeben, gegen den ich nichts ausrichten konnte. Ich begriff, daß es keine Hoffnung mehr für die Welt gab. Die Setiane waren schlimmer als alle Vampire zusammen. Und sie breiteten sich auf einer Vielzahl von Sternen aus.
    Die Sonne erreichte den Zenit. Sie war blutrot.
    Mein Gehirn schien zu kochen, und ich hörte, wie ich schrie.
    Dann kam der Lärm wie Wellen lauten Donners. Die Erde begann zu beben, zu tanzen, an ihren Nähten aufzubrechen. Der gefrorene Sand, der meine Arme und Beine festhielt, bekam Risse, und hätte die Wüste sich nicht unvermittelt in einen sintflutartigen Ozean verwandelt, wäre ich aufgestanden und hätte mich bewegt. Was hatte Ory da ausgelöst? Die Elemente waren verrückt geworden.
    Die Erde hielt sich selbst für Wasser. Hinter dem Tal der Fliegen hörte ich die Sanddünen brechen wie Wellen an einer schroffen Küste.
    Dann plötzlich hörte es auf, und alles war still.
    Ich zog das Messer heraus, wischte die Fliegen fort und kroch aus dem Tal.
    Als ich oben ankam, starrte ich auf die Wüste, die sich in vollständig neuer Formation vor mir ausbreitete.
    Sie war flach, vollkommen eben.
    Langsam begann meine Wunde zu heilen.
    Irgendwie gelang es mir, die Stadt zu erreichen. Orys Gift war noch immer in meinen Adern, aber vielleicht hatte es etwas von seiner Stärke eingebüßt. Als ich die Stadt schließlich sah, erkannte ich, daß nicht nur Suzamas, sondern auch Orys Zeit vorüber war. Entweder hatte Ory die Gewalt über »sein« Element Erde verloren, oder Suzama hatte es in letzter Sekunde geschafft, die Erde ebenso in ihre Gewalt zu bekommen. Die Zeit der Verehrung für Isis und Set schien vorbei.
    In der Erde hatte sich ein Riß aufgetan, riesig wie die große Pyramide, und den größten Teil der Stadt förmlich verschluckt. Die Pyramide

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