Das Orakel des Todes
edelsteinbesetzten Scheiden steckten, wie sie allenfalls Offiziere und Centurionen trugen. Diese Schwerter weckten mein Interesse, und ich sprach den Händler an, einen kahlköpfigen Bruttier.
„Bist du immer mit so vielen Schwertern unterwegs?“, fragte ich. „Eigentlich sollte man annehmen, dass in dieser Gegend eher mit landwirtschaftlichem Gerät gehandelt wird.“
„Meinst du wirklich, das sind viele Schwerter, Praetor?“, entgegnete er und deutete mit seinem glänzenden Kahlkopf auf die Auslage. „Das sind nur die besonderen Stücke für Offiziere und Söhne aus reichern Hause, die in der Kavallerie dienen werden. In meinem Wagen habe ich noch sechs Kisten mit einfachen Legionärsschwertern, und da Pompeius sich zur Zeit hier aufhält, dürfte ich sie in zehn Tagen komplett verkauft haben. Ich wünschte, ich hätte noch mehr Schwerter mitgebracht.“
„Waffenhändler wie du haben sich darauf eingestellt, dass der Kampf demnächst ausbricht, was?“, fragte ich. „Wenn du mit Waffen handelst, musst du immer auf dem Laufenden bleiben. Der Krieg liegt schon das ganze Jahr in der Luft. Jeder Schmied und Waffenbauer hat sich längst einen Vorrat an Schwertern, Dolchen, Speeren und Pfeilspitzen angelegt. An jedem Hafen laufen Schiffe mit Werkblei ein. Glaubst du, das ist nur zur Herstellung von Rohren und Dächern gedacht?“
Auf diese Frage erwartete er nicht wirklich eine Antwort. „Steinschleudern auch?“, entgegnete ich daher. „Aber ja. Leute, die es wissen müssen, sagen voraus, dass es Krieg geben wird und man gut beraten ist, sich auf die Nachfrage nach Waffen einzustellen.“
„Du redest von Bürgerkrieg“, stellte ich fest.
„Genau, und das heißt, dass man an beide Seiten verkaufen darf, oder? In den meisten Kriegen kann man nur eine Seite beliefern.“ Diese schlichte, rein auf Profit ausgerichtete Handelsphilosophie war typisch für die Zeit. So beklagenswert die Situation auch sein mochte, einem findigen Unternehmer bot sie großartige Gewinnchancen.
Natürlich bot eine solche Situation auch großartige, nicht auf wirtschaftlichen Profit ausgerichtete Möglichkeiten, speziell für die Angehörigen meiner eigenen Klasse. Meine Familie spielte im politischen Leben Roms seit Jahrhunderten eine herausragende Rolle, doch den Aufstieg zur bedeutendsten plebejischen Familie Roms verdankten wir unserer Unterstützung Sullas gegen Marius. Die Wahl der richtigen Seite ist eine hoch komplizierte Angelegenheit. Im aktuellen Fall hatte sich meine Familie auf die Seite Pompeius' geschlagen, was ich für keine besonders weise Entscheidung hielt. Sollte ich mich jedoch für die Unterstützung Caesars entscheiden, hätten die großen Männer meiner Familie nichts dagegen. Warum nicht? Weil es immer von Vorteil ist, ein oder zwei Familienmitglieder im anderen Lager zu haben, als Versicherung sozusagen. Damit ist wenigstens das Überleben der Familie gesichert, falls die Mehrheit sich geirrt haben sollte, und es ist dafür gesorgt, dass die Familie nicht sämtliche Ländereien verliert. So funktionierten die Politik und die familiären Bande in jenen Tagen.
An den Ständen anderer Straßenverkäufer wurde ähnliche Ware feilgeboten: Soldatentuniken und Gürtel, beschlagene Soldatensandalen, Feldflaschen, speziell für Feldzüge geeignete Ölbehälter und alles, was ein Soldat für den Krieg brauchte. Die Legion verfügte zwar über eigene Lager, in denen man sich seine Ausrüstung zusammenstellen konnte, doch meistens passten die dort angebotenen Sachen nicht und waren überteuert, so dass jeder Soldat gut beraten war, mit eigener Ausrüstung zum Appell anzutreten.
Nicht alle fliegenden Händler boten ausschließlich Zubehör für das Kriegshandwerk an. Natürlich gab es die üblichen, bei jeder Sehenswürdigkeit angebotenen Souvenirs wie Apollo- und Hekatestatuetten oder mit den jeweiligen Gottheiten oder deren Symbolen verzierte Lampen. Eine der Verkäuferinnen hatte keinen Stand, sondern saß auf dem Boden und hatte ihre Ware vor sich auf einem Tuch ausgebreitet. Inmitten ihrer Auslage lagen einige dieser kleinen Pfeile, die ich auf Porcias Anwesen in der Nähe des Mundus gesehen hatte. Neben ihnen lagen bündelweise frische und getrocknete Kräuter und kleine, aus Knochen gefertigte Amulette, die dazu bestimmt waren, das Böse abzuwehren oder die Gesundheit zu schützen. Die Frau war eine Art Saga: ein niederes, wahrsagendes Kräuterweib.
„Wie läuft das Geschäft denn so?“, fragte ich.
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