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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Belüftungsschlitz“, stellte ich fest. „Aber es ist mir unerklärlich, wie man einen so feinen Schlitz in den Stein hauen kann. Wer immer dies gemacht hat, kannte sich mit Steinarbeiten weit besser aus als ich.“ Wir entdeckten jede Menge weitere Schlitze, sie waren gleichmäßig etwa alle fünf Schritte über den gesamten Tunnel verteilt. Die Wände hingegen bargen keinerlei Geheimnisse, genauso wenig der Boden. Langsam, tastend arbeiteten wir uns bis in die unten liegenden Kammern vor. Als Erstes suchten wir das Heiligtum der Hekate auf. Die Männer hatten zunächst Bedenken, unter den Augen der unheimlichen Hekatestatue zu arbeiten.
    „Es ist nichts als Stein“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Und nicht einmal besonders fein gearbeiteter Stein.“ „Vielleicht solltest du einen kleinen besänftigenden Ritus vollziehen“, flüsterte Hermes mir zu. „Womöglich fühlen sie sich dann besser.“
    Also bat ich die Göttin um Nachsicht dafür, dass wir auf diese Weise ihr Heiligtum entweihten und berief mich auf die mir auferlegten Pflichten als Diener des römischen Volks und Senats. Dann schnitt ich mir eine kleine Haarlocke ab und verbrannte sie auf dem Altar inmitten der übrigen unsinnigen Opfergaben. Daraufhin machten sich die Männer erleichtert an die Arbeit. Ich ärgerte mich über meine verlorene Locke. Mein Haar war in letzter Zeit zusehends spärlicher geworden, und ich konnte mir den Verlust weiteren Haars im Grunde nicht leisten.
    Obwohl der Raum größer war, war die Arbeit weit mühsamer als die Untersuchung des Tunnels. Aufgrund der Unebenheit und der Unregelmäßigkeit der Wände war es viel schwieriger, Risse oder Einbuchtungen auszumachen, die nicht dorthin gehörten. Polierter oder zumindest glatter Stein hätte uns die Arbeit erheblich erleichtert.
    „Die Sache kommt mir irgendwie merkwürdig vor“, sagte Hermes, während die anderen Männer die Wände, die Decke und den Boden abtasteten.
    „Soll das etwa heißen, dass du an dem Ganzen irgendetwas nicht merkwürdig findest?“, entgegnete ich.
    „Der Tunnel ist so gleichmäßig, und die Wände sind so glatt - ein bisschen uneben vielleicht, aber im Großen und Ganzen doch absolut regelmäßig -, wohingegen dieser Raum und die darunter liegende Kammer der Styx so unregelmäßig sind wie ein Kuhmagen. Sie sehen eher aus wie natürliche Höhlen.“
    „Eine weitere Merkwürdigkeit“, kommentierte ich. „Zusätzlich zu allen anderen. Aber auch keine allzu große Überraschung. Wenn die Tunnelbauer in der Lage waren, den Schacht durch den massiven Fels auf direktem Wege zu dem unterirdischen Fluss zu treiben - warum sollte es hier nicht bereits ein paar natürliche Höhlen gegeben haben, die ihnen das Ganze ein wenig erleichterten?“
    Den Altar und die Hekatestatue nahm ich mir persönlich vor. Als Erstes wies ich einen der Männer an, den Altar von dem angesammelten Unrat zu befreien, eine Aufgabe, die er mut sichtlichem Abscheu erledigte. Ich verstand seinen Ekel gut, denn neben allem anderen untersuchte ich auch diesen Unrat, und es war die merkwürdigste Ansammlung von Opfergaben, die mir je untergekommen war.
    Vor allem gab es jede Menge Knochen, von denen einige offensichtlich von Menschen stammten, unter ihnen auch die bereits erwähnten Kinderskelette.
    „Können wir sie nicht wegen Menschenopfern drankriegen?“, fragte Hermes. „Solche Opfer sind doch strengstens verboten.“
    „Siehst du irgendwelche Blutspuren?“, fragte ich. „Soweit ich das beurteilen kann, wurde hier niemand Lebendiges geopfert. Es könnten durchaus die Skelette von Totgeburten sein, was zwar auch ziemlich bizarr wäre, aber gegen kein mir bekanntes Gesetz verstößt.“
    Es gab noch weitere Knochen, unter anderem Vogelgerippe sowie die Skelette kleiner Tiere, nicht größer als Füchse, jede Menge Hundegerippe und die Überreste irgendwelcher Geschöpfe, die keinesfalls in Italia heimisch waren, jedenfalls nicht während der letzten Generationen. Ein Gerippe sah auf den ersten Blick aus wie das Skelett eines kleinen Mannes, aber ich erkannte es als das Skelett eines Affen. Skelette von Affen und Menschenaffen hatte ich während meiner Zeit in Alexandria im Museion gesehen.
    „Erinnere mich daran, Iola nach diesen Opfergaben zu fragen“, trug ich Hermes auf.
    „Mache ich. Wo wir gerade von dieser Frau sprechen - sie behauptet, aus Thrakien zu stammen, spricht aber gar keinen thrakischen Akzent.“
    „Sie hat einen sehr eigenartigen Akzent“,

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