Das Orakel des Todes
Vormittag, wo das Fest bereits in vollem Gange war. Sämtliche Statuen waren mit riesigen Blumenkränzen geschmückt, ebenso alle Tempel und öffentlichen Gebäude. Streckenweise gingen wir knöcheltief durch Blütenblätter. Kinder rannten umher und zerschlugen Eier auf den Köpfen der Feiernden. Die Eier waren mit Parfüm gefüllt, und es hing ein süßer Geruch in der Luft, der nicht nur vom Parfüm herrührte, sondern auch vom Weihrauch, der von allen Altären der Stadt aufstieg. Überall wurde musiziert und gesungen.
Es war einer jener Tage, an denen nahezu alle Vorschriften außer Kraft gesetzt waren. Wie bei den Saturnalien waren die Grenzen zwischen Sklaven und Freien gefallen. Männer und Frauen paarten sich hemmungslos und ohne Rücksicht darauf, wer mit wem verheiratet war. Einige Frauen hatten ihre Haare heruntergelassen und trugen nichts als Blumenkränze und locker drapierte Leopardenfelle. Sie wedelten mit ihren Thyrsi, spielten Doppelflöte und tanzten ausgelassen zu ihrer eigenen wilden Musik. Viele der Feiernden trugen Masken, und es wimmelte nur so von Maskenverkäufern, die an diesem Tag das Geschäft ihres Lebens machten.
„Keine Masken“, ermahnte mich Julia streng. „Kein Herummachen mit anderen Frauen und kein Wein.“ „Wozu bin ich denn dann hier?“
„Um zu zeigen, dass der römische Praetor die lokalen Götter und Bräuche ehrt. Das kannst du auch, ohne dich wie ein brünstiger Pavian zu benehmen.“ „Spielverderberin.“
Gemessenen Schrittes und mit beeindruckender Gravitas bahnten wir uns einen Weg durch die Menschenmenge. Es gab Gaukler und Artisten, die alle nur erdenklichen Kunststücke vorführten, Feuerschlucker, die ich das letzte Mal bei Sabinillas Gelage gesehen hatte, Tänzer und Musiker. Überall waren Bühnen aufgebaut, auf denen Schauspieler absurde und häufig obszöne Stücke aufführten.
Natürlich war mir klar, dass dies für jemanden, der mich umbringen wollte, der perfekte Ort war. Ein maskierter Mörder konnte sich mir problemlos nähern, mir einen Dolch zwischen die Rippen stoßen und unerkannt in der Menge untertauchen. Doch ich trug meine Rüstung, und Hermes blieb immer dicht hinter mir, die Hand am Schwertgriff und mit wachsamen Augen die Menge beobachtend.
„Macht Platz für den Praetor!“, rief jemand. Ich dachte zuerst, sie meinten mich, doch im nächsten Moment brach die Menge in schallendes Gelächter aus. Julia und ich bahnten uns einen Weg in die Richtung, aus der das Gelächter kam, und sahen, wie die Menschenmenge einem Umzug von Zwergen Platz machte, die übertrieben selbstgefällig dahermarschierten. Voran gingen die sechs „Liktoren“, die anstelle der Fasces Stöcke trugen, deren Spitzen Schwämme, zierten, wie man sie aus öffentlichen Latrinen kennt.
Hinter ihnen stolzierte der „Praetor“, ein dickbäuchiger, in einer rot gesäumte Toga gehüllter Zwerg, dessen Maske mit meiner übertrieben in die Länge gezogenen Metellus-Nase unmissverständlich mein Gesicht karikierte. Für diejenigen, die immer noch nicht erkannten, wer hier verspottet wurde, ragte dem Zwerg ein überdimensionaler Pfeil aus der Brust.
„Bleib ruhig, Liebster“, zischte Julia mir zu. „Es ist alles nur Spaß.“
Selbstverständlich“, entgegnete ich. „Hast du schon gesehen, wer hinter ihm geht?“ Dem Praetor folgte eine Zwergin im weißen Gewand der Patrizierinnen; ihr Haar war durch einen riesigen, vergoldeten Lorbeerkranz fast vollkommen verdeckt, die Maske stellte das Gesicht eines hysterischen, zänkischen Weibes dar und ließ Julias Züge erkennen.
„Das geht zu weit! „, fauchte Julia.
Platz für den Prokonsul!“, rief dieselbe Stimme. Die Menge machte erneut den Weg frei, und es folgte ein weiter Umzug. Diesmal führten zwölf obszön ausgestattete zwergenhafte „Liktoren“ den Zug an, gefolgt von einem weiteren Zwerg mit einem Helm und einer Rüstung, die ihm fast bis an die Knöchel reichte. An seiner Seite hing ein mindestens fünf Fuß langes Schwert, dessen Scheide hinter ihm über den Boden schleifte.
Als die beiden Umzüge aufeinander trafen, senkten die Liktoren des Praetors ihre Latrinenfeudel, so wie richtig(. Liktoren ihre Fasces senken, wenn sie einem ranghöheren Magistrat begegnen.
„Ave, allmächtiger, unübertrefflicher, gottgleicher General Gnaeus Pompeius Magnus!“, brüllte der „Praetor“. „Sei gegrüßt, Praetor Peregrinus Metellus, Verfolger der Übeltäter, Ächter der Bösen, Zielscheibe der
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