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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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Kreuz vom Meeres Untergebener war. Er hatte das Patent vor ein paar Jahren erhalten und damals auch die Absicht durchschaut. Aber da konnte man nichts machen. Bloß nicht ärgern.
    Die Zeitung, die auf dem Luftwege um sechs Uhr morgens eingetroffen war, war die Frankfurter Zeitung . Reiss las die erste Seite sorgfältig. Von Schirach unter Hausarrest, wahrscheinlich inzwischen bereits tot. Schade. Göring auf einem Ausbildungsstützpunkt der Luftwaffe, von erfahrenen Kriegsveteranen umgeben, die dem Fetten alle loyal ergeben waren. Ihm konnte keiner etwas anhaben. Und was war mit Dr. Goebbels?
    Wahrscheinlich im Herzen Berlins. Wie immer auf seinen eigenen Witz vertrauend, seine Fähigkeit, sich aus jeder Sache herauszureden. Wenn Heydrich ihm eine Gruppe Leute schickt, um ihn zu beseitigen, überlegte Reiss, wird der kleine Doktor es ihnen wahrscheinlich nicht nur ausreden, sondern sie sogar dazu bringen, die Seite zu wechseln. Sie zu Angestellten des Ministeriums für Propaganda und Volksaufklärung machen.
    Er konnte sich Dr. Goebbels in diesem Augenblick ganz plastisch vorstellen, wie er irgendwo in der Wohnung einer atemberaubenden Filmschauspielerin war, ohne sich um die Wehrmachtseinheiten zu kümmern, die durch die Straßen polterten. Diesem Kerl konnte wirklich nichts Angst machen. Goebbels würde, sein spöttisches Lächeln im Gesicht, mit der linken Hand den Busen der Schauspielerin liebkosen und mit der rechten seinen Artikel für den Angriff des nächsten Tages schreiben. Reiss wurde vom Klopfen an der Tür aus seinen Gedanken gerissen. »Tut mir leid. Kreuz vom Meere ist schon wieder am Apparat.«
    Reiss stand auf, ging an seinen Schreibtisch und griff nach dem Hörer. »Hier Reiss.«
    Der schwere bayrische Akzent des SD-Chefs.
    »Irgend etwas Neues über diesen Burschen von der Abwehr?«
    Etwas verwirrt versuchte Reiss zu erraten, was Kreuz vom Meere meinte. »Hm«, murmelte er. »Meines Wissens sind im Augenblick drei oder vier Abwehrburschen an der Pazifikküste.«
    »Der, der letzte Woche mit Lufthansa hereingekommen ist.«
    »Oh!« Reiss klemmte sich den Hörer zwischen die Schulter und das Ohr und holte sein Zigarettenetui heraus. »Der hat sich hier nicht blicken lassen.«
    »Was macht er denn?«
    »Herrgott, das weiß ich doch nicht. Fragen Sie Canaris.«
    »Ich möchte, daß Sie das Außenministerium anrufen und dort verlangen, daß man mit dem Kanzleramt in Verbindung tritt. Die sollen mit der Admiralität sprechen und verlangen, daß die Abwehr ihre Leute hier abruft oder dazu veranlaßt, uns Bericht zu erstatten.«
    »Können Sie das nicht machen?«
    »Alles ist völlig durcheinander.«
    »Die haben den Mann von der Abwehr völlig aus den Augen verloren«, entschied Reiss. »Sie – die lokale SD-Abteilung – hatten von jemand im Stabe Heydrichs den Befehl erhalten, ihn zu beobachten, und die Verbindung verloren. Und jetzt soll ich Sie herauspauken.«
    »Wenn er hier auftaucht«, sagte Kreuz, »werde ich ihn beschatten lassen. Darauf können Sie sich verlassen.« Natürlich war die Aussicht gering, daß der Mann auftauchen würde. Das wußten auch beide.
    »Er tritt bestimmt unter einem Decknamen auf«, fuhr Kreuz vom Meere fort. »Den kennen wir natürlich nicht. Ein aristokratisch aussehender Bursche. Um die Vierzig. Hauptmann. Sein richtiger Name ist Rudolf Wegener. Stammt aus einer dieser alten monarchistischen Familien aus Ostpreußen. Hat wahrscheinlich von Papen in der Systemzeit unterstützt.« Reiss machte es sich an seinem Schreibtisch bequem, während Kreuz vom Meeres Stimme weiterdröhnte. »Das einzige, was man gegen diese monarchistischen Überbleibsel tun kann, ist, den Etat der Marine so zu beschneiden, daß sie sich einfach nicht mehr leisten können…«
    Reiss hörte gar nicht mehr hin. Schließlich konnte er das Gespräch beenden. Als er sich wieder seinem Frühstück zuwandte, war das Ei kalt geworden. Er griff wieder nach der Zeitung.
    Es nimmt einfach kein Ende, dachte er. Diese SD-Leute lassen uns auch keine Sekunde in Ruhe. Die könnten einen sogar um drei Uhr früh anrufen.
    Sein Referent steckte den Kopf zur Türe herein, sah, daß er mit Telefonieren fertig war, und sagte: »Sacramento hat gerade angerufen. Die sind ganz durcheinander. Die behaupten, in San Francisco treibe sich ein Jude herum.« Er und Reiss lachten.
    »Na schön«, sagte Reiss dann. »Sagen Sie ihnen, die sollen sich beruhigen und die üblichen Papiere schicken. Noch etwas?«
    »Haben Sie die

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