Das Orakel von Antara
Wunden kümmerte, Nahrung und ein warmes Lager, sonst erlag er womöglich doch noch seinen Verletzungen. Sie musste Hilfe holen!
Mühsam begann Sabrete daher, Reven die Uniform auszuziehen, unter der er zum Glück noch seine eigenen Kleider trug. Es kostete sie viel Kraft, den schweren, schlaffen Körper Revens zu bewegen, zumal sie auch noch auf seine Verletzungen achten musste.
Doch endlich hatte sie es geschafft. Sie rollte die Uniformstücke zusammen und stopfte sie an e iner dichten Stelle in die Büsche. Nur das Schwert behielt sie und barg es unter ihrem Umhang. Wer wusste, wozu es noch einmal von Nutzen sein mochte? Sie legte Reven so bequem, wie es ging, und stand dann unschlüssig auf. Wohin sollte sie sich wenden?
Doch dann kam ihr der rettende Gedanke. Ein Bruder des alten Gärtners, der ihre Rosen pflegte, war Sklave bei einem der Adligen, die in der Nähe des Pala stes wohnten. Der alte Gärtner, den sie sehr gern hatte und dessen Tochter eine ihrer Zofen war, hatte ihr oft von ihm erzählt. Sabrete hatte - sehr zum Ärger ihres Vaters - mit den antarischen Sklaven vertrauten Umgang gehabt.
So hatten auch der Gärtner und seine Tochter ihr bei ihrer Flucht geholfen, ohne jedoch genau zu wissen, was sie vorhatte. Die Kleider, die sie trug, stammten von jener jungen An tarin, die auch die Aufgabe übernommen hatte, ihr Fehlen bis zum Morgen zu verschleiern. Sie wusste, dass auch der Bruder des Gärtners lieber heute als morgen aus der Sklaverei entflohen wäre, und hoffte daher, ihm vertrauen zu können.
So rasch sie konnte, rannte sie daher nun davon. Nach einer Viertelstunde erreichte sie das Anwesen des Edlen, wo sie den Br uder des Gärtners zu finden hoffte. Ein antarischer Sklave stand am Tor Wache. Sabrete stürzte auf ihn zu.
„Bitte, bringe mich schnell zu Nevian!“ keuchte sie, außer Atem vom schnellen Lauf. „Ich bringe Nachricht von seinem Bruder. Bitte schnell! Es geht um Leben und Tod!“
Trotz ihrer Atemlosigkeit vergaß Sabrete nicht, ihrer Stimme einen antarischen Klang zu geben, damit die Wache nicht misstrauisch wurde. Der Antare sah die vermeintliche Sklavin mitleidig an.
„Beruhige dich, Mädchen!“ sagte er. „Ich darf dich zwar nicht einlassen, aber ich werde Nevian rufen. Dann kannst du mit ihm sprechen. Warte hier!“ Eilig lief der Mann davon und kam kurze Zeit später mit einem anderen zurück.
„Geh hinaus, Nevian“, sagte er. „Aber gib acht, dass euch niemand sieht! Du weißt, der Herr duldet es nicht, dass jemand ohne Erlaubnis das Haus betritt oder verlässt.“
Nevian trat vor das Tor und zog Sabrete in den tiefen Schatten der Mauer.
„ Wer bist du, Mädchen, und was ist mit meinem Bruder?“ fragte er aufgeregt.
„Nevian, stehst du treu zu deinem Volk?“ fragte Sabrete. „Was würdest du tun, um den Antaren die Freiheit zu geben?“
„ Alles!“ antwortete Nevian schlicht. „Und wenn es mich das Leben kostete! Aber was hat das mit meinem Bruder zu tun?“
„Nichts!“ sagte Sabrete wahrheitsgemäß. „Dein Bruder war nur ein Vorwand für mich, mit dir sprechen zu können. Hör mir gut zu, denn die Zeit drängt. Ein paar Antaren, darunter Yorn von Niveda, auf dessen Brust die Blitze Saadhs geschnitten sind, haben versucht, das Herz Bloors zu vernichten. Es misslang, und man hat diesen Mann gefangengenommen. Es gelang mir heute Nacht, ihn zu befreien.
Aber er ist verwundet und hat den Weg zu seinem Unterschlupf nicht mehr geschafft. Er liegt bewusstlos in den Büschen unweit des Schlossportals an der Straße. Wenn er nicht schnell dort weggeschafft werden kann, wird man ihn finden und der König wird ihn töten. Willst du das?“
„Die Blitze Saadhs, sagst du?“ Nevian rüttelte Sabrete aufgeregt an der Schulter. „Also ist das Gerücht wahr, das ich gehört habe. Die Befreiung der Antaren soll kurz bevorstehen, und viele sollen schon geflohen sein. Woher aber weißt du, dass das Unternehmen misslang? Ich habe anderes gehört. Das Herz Bloors soll zerstört sein.“
Sabrete war verstört. Was sagte Nevian da? Sie war ebenso wie ihr Vater davon ausgegangen, dass man Reven und seine Gefährten vor ihrer Tat abgefangen hatte. Warum hatte Reven ihr nicht gesagt, dass sie Erfolg gehabt hatten? Dann aber ging ihr ein Licht auf. Reven hatte ihr die Wahrheit verschwiegen, weil er geglaubt hatte, sie würde ihn nicht retten, wenn sie nicht mehr in Gefahr wäre, das Ritual vollziehen zu müssen. Hatte er
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