Das Orakel von Antara
Und macht schon ein Lager für ihn im Geräteschuppen.“
Ohne Widerrede folgten Sabrete und Nevian seinen Anordnungen. Niemand sah sie, als sie den Garten betraten und zum Schuppen gingen. Dieser lag hinter einigen Büschen an der hintersten Mauer des parkähnlichen Geländes, welches das Anwesen umgab. In einer Ecke hinter einem Stapel Bretter lag ein Haufen leerer Säcke. Nevian schichtete sie zu einer dicken Lage auf dem Boden auf. Dann nahm er Sabrete das große, wollene Tuch ab und breitete es über den Stapel.
„So, das müsste genügen, bis ich Besseres beschaffen kann“, sagte er. „Das ist breit genug für euch beide, denn ich schätze, auch du bist kurz vor dem Umfallen.“ Er sah Sabrete prüfend an. „Mir scheint, ich habe dich schon irgendwo gesehen“, meinte er dann. „Aber ist ja auch egal!“
Da kam auch schon sein Freund mit Reven. Vorsichtig ließ er den Verwundeten auf das Lager gleiten.
„Alles andere muss ich euch überlassen“, sagte er. „Ich muss zurück ans Tor. In einer halben Stunde ist es hell, dann kommt meine Ablösung. Du solltest rasch wieder ins Bett gehen, damit niemand merkt, dass du weg warst.“ Damit verließ er schnell den Schuppen. „Ich gehe jetzt auch“, erklärte Nevian. „In zwei bis drei Stunden komme ich wieder. Dann bringe ich dir etwas zu essen und ein paar Sachen für seine Wunden. Verhalte dich still, dann merkt niemand, dass ihr hier seid.“
Dann war Sabrete mit Reven allein. Nachdenklich betrachtete sie sein stilles Gesicht, das grau und eingefallen war. Es war ein gutes Gesicht, fand sie, und dieser antarische Fremde war ein gutaussehender Mann.
Besorgt betrachtete sie die blutverkrusteten Lappen, die man über seine Wunden gebu nden hatte. Er musste bald richtig verbunden werden, sonst war sein Leben kein Kupferstück mehr wert.
Wieder stach ein heftiger Schmerz durch ihr Herz, als sie daran dachte, wie er sie g etäuscht und ihre Angst und ihre Zuneigung zu ihm für seine Zwecke benutzt hatte. Sie, eine moradonische Prinzessin, war mit einem Antaren, einem Sklaven, einem Feind ihres Vaters geflohen! Wie hatte sie sich so vergessen können? Jede Moradonin, die so etwas tat, wurde ausgepeitscht, und der Antare aufs Rad geflochten und gehenkt. War es wirklich nur ihre Angst vor dem Ritual gewesen, die sie zu diesem Schritt veranlasst hatte?
Sie gestand sich ehrlich ein, dass das nur ein Teil ihrer Gründe gewesen war. Sie hatte diesen Mann von Anfang an bewundert und sich zu ihm hingezogen gefühlt. Nur darum hatte sie so offen gegen den Vater rebelliert, was sie vorher nie gewagt hatte. Zwar hatte sie sich ständig über seine Anweisungen hinweggesetzt, aber sie hatte genau gewusst, wie weit sie hatte gehen können.
Sie liebte den Vater nicht. Seine Art und sein Wesen waren ihr stets fremd geblieben, o bwohl er immer versucht hatte, sich ihre Zuneigung zu erkaufen. Aber vielleicht hatte sie ihm gerade das übelgenommen. Sie hatte es gehasst, wie er mit den antarischen Sklaven und besonders mit den Mädchen umgesprungen war, die für sein Bett bestimmt waren. Doch sie wusste auch, dass kaum ein Moradone je eine antarische Sklavin anders behandelt hatte. War das der Fluch, der von Bloors Herzen ausging, wie Reven gesagt hatte? Waren die Moradonen darum nicht in der Lage, Mitleid oder gar Zuneigung für ihre Sklaven zu empfinden, weil sie ihre Macht nur aus der Magie des glühenden Herzens zogen?
Aber warum hatte dann sie die Antaren als menschliche Wesen ansehen können? Sollte Reven sie doch nicht belogen haben in Bezug auf ihre Herkunft? Hatte sie sich in ihn verli eben können, weil das Herz zerstört war - oder, weil sie wirklich eine halbe Antarin war und sie der Fluch somit nicht voll hatte treffen können?
Sabrete war verwirrt. Müde und hungrig, wie sie war, fand sie keine Antwort auf ihre Fr agen. Obwohl es ihr ein wenig widerstrebte, legte sie sich neben Reven auf das Lager nieder und war kurze Zeit später eingeschlafen. Sie fuhr erschreckt hoch, als sie jemand sanft an der Schulter rüttelte. Nevian stand neben ihr und hatte sie geweckt.
„Komm, steh auf!“ sagte er. „Ich habe dir einiges mitgebracht.“ Er deutete auf ein Bündel, das neben ihm auf dem Boden stand. „Dort ist Essen, frische Tücher und Wundsalben. Ich habe auch ein paar Decken für euch. Ich bringe gleich noch frisches Wasser, damit du seine Wunden waschen und dich selbst ein wenig erfrischen kannst. Und ich habe auch noch einige
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