Das Orakel von Antara
einen Ausweg zu finden. Reven schien mir nicht voll zu vertrauen, obwohl ich ihn befreite, denn er sagte mir nichts von den Plänen seiner Freunde. Ich weiß ebenso wenig wie du, was vor sich geht - ja, ich weiß nicht einmal, ob das Herz Bloors wirklich vernichtet ist, wie du gehört hast. Nur, wenn es Reven und seinen Freunden gelungen ist, vom Garten aus in den Turm zu kommen, kann das geschehen sein. Denn der Wächter hätte jeden zerrissen, der durch seine Kammer gewollt hätte. Nur den König läßt er vorbei. –
Ach, Nevian! “ Sabrete hob den Blick und sah den Antaren bittend an. „Kannst nicht wenigstens du mir vertrauen? Glaubst du nicht auch, dass die Soldaten längst hier wären, wenn ich euch hätte verraten wollen?“
„Nun“, meinte Nevian zweifelnd, „es könnte sein, dass du und dein Vater erst einmal wissen wollt, wer unsere Anführer sind. Andererseits aber glaube ich nicht, dass der König so leichtfertig das Leben seiner Tochter aufs Spiel gesetzt hätte. Für die Rolle des Retters hätte sich auch ein anderer finden lassen, ohne dass der König seine eigene Tochter hätte gefährden müssen. Denn es hat zum Beispiel eben nicht viel gefehlt und ich hätte dich getötet.“ Er sah sie nochmals prüfend an.
„ Nein, du lügst nicht, oder ich hätte in meinem langen Leben nie gelernt, einen Menschen zu beurteilen. Deine Beweggründe, als Moradonin so zu handeln, sind mir zwar unverständlich, aber ich glaube dir. Komm, mach dir keine Sorgen! Irgendwie werden wir schon einen Ausweg finden. Überlass‘ das nur mir!
Ich bin nicht einer der Geringsten in unserem Volk, auch wenn ich für euch nur ein g ewöhnlicher Sklave bin. Ich gehöre zum Stamm der Niveder genau wie Yorn, falls er es ist, den wir suchen. Seit ich damals verschleppt worden bin, habe ich nicht aufgehört, an die Prophezeiung zu glauben. Ich kenne viele, die so denken wie ich, und habe gute Kontakte. Ich werde erfahren, was wir wissen müssen - hab nur etwas Geduld!
Doch zunächst solltest du dich um di esen Reven kümmern, für den du so viel gewagt hast. Ich bin neugierig, wer er wirklich ist und wie er an die Narben kommt, denn er sieht nicht aus wie ein Niveder. Ich muss jetzt gehen. Verhalte dich still, dann wirst du fürs Erste sicher sein. Niemand wird in einem alten Geräteschuppen nach der Tochter des Königs suchen.“ Er lächelte Sabrete an und verneigte sich vor ihr. „Ich werde wiederkommen, sobald ich kann, Prinzessin!“
Nachdem er gegangen war, versorgte Sabrete Revens Wunden. Er war immer noch bewusstlos, und Sabrete begann für sein Leben zu fürchten. Sie verstand nichts von Wunden, und das einzige, was sie tun konnte, war, sie zu säubern, Salbe aufzulegen und Reven neu zu verbinden. Dann saß sie neben ihm, knabberte lustlos an etwas Obst und wartete mit wachsender Sorge darauf, dass Reven ein Lebenszeichen von sich geben würde.
Aber er lag nur da, und Sabrete vermeinte festzustellen, dass sein Gesicht von Stunde zu Stunde grauer und spitzer wurde. Das fruchtlose Warten ermüdete sie, da sie nur kurze Zeit geschlafen hatte. Irgendwann nickte sie ein. Es begann schon zu dunkeln, als Nevians Kommen sie hochschrecken ließ. Hinter ihm trat noch ein weiterer Mann in den Schuppen.
„Erschrick’ nicht, Prinzessin!“ sagte Nevian. „Dies ist Glarus, ein Freund. Er ist Arzt und wird sich um Reven kümmern.“
Ohne ein Wort zu sagen, beugte sich Glarus sofort über den Bewusstlosen. Rasch aber gründlich untersuchte er ihn, während Sabrete ihm im Zwiespalt zwischen Furcht und Hoffnung zusah. Dann erhob sich Glarus und lächelte Sabrete an.
„Deine mutige Tat war nicht vergebens, Prinzessin“, sagte er. „Der Mann wird leben. Seine Verletzungen sind zwar zahlreich, und er hat viel Blut verloren, aber er wird es schaffen, wenn ich ihm etwas gebe, das ihn kräftigt. Die tiefe Bewusstlosigkeit, die dich so erschreckt, ist weniger eine Folge seiner Verletzungen als eine Abwehr seines Geistes. So wappnet sich sein Körper gegen neue Schrecken. Er hat viel durchgemacht, und seine Seele muss neue Kraft schöpfen.“
„Den Göttern sei Dank!“ seufzte Sabrete erleichtert. „Ich bangte wirklich um sein Leben. Nevian wird dir gesagt haben, dass ich ihn liebe. Ich hatte Angst, ich würde ihn verlieren, ohne ihn je richtig gefunden zu haben. Und nicht nur das: Er ist der einzige, der meine Geschichte bestätigen kann, denn ohne sein Wort können mir die Antaren glauben - oder
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