Das Orakel von Margyle
Zustimmung hören. “Ich machte mir Sorgen, als ich zurückkehrte und entdeckte, dass Ihr gegangen wart. Wirklich, ich wollte Euch mit meinem Fortgehen keinen Schrecken einjagen, das schwöre ich. Ich dachte, ich wäre zurück, bevor Ihr erwacht.”
Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: “Und ich hatte Angst, Ihr würdet mir verbieten zu gehen, wenn ich Euch frage.”
“Gut möglich.” Maura sank neben ihm auf den Boden. “Könnten wir einen Handel abschließen? Arbeiten wir von jetzt an als funktionierendes Team und bleiben so viel wie möglich zusammen?”
“Abgemacht”, sagte Delyon. “Übrigens, mit den Bildstechern hattet ihr recht – sie hatten ganze Stapel von diesen Anschlägen.”
“Ich hoffe, Ihr habt etwas gefunden, das uns nützt.” Maura zog das stibitzte Essen unter dem Mantel hervor und teilte es mit ihm.
“Etliches”, meinte Delyon vergnügt zwischen zwei Bissen. “Ich kann kaum erwarten, zu meinen Studien zurückzukehren, wenn das Königreich erst einmal befreit ist. Ich glaube, das Verstehen der hanischen Sprache könnte der Schlüssel zum Entziffern von sogar noch mehr alten Sprachen sein. Wer weiß, welche verlorenen Weisheiten ich dort entdecke?”
“Ich meinte eher etwas, das Euch beim Lesen dieser Schriftrolle hilft. Es ist wichtiger denn je, dass wir Velorkens Stab finden und zu Rath bringen.” Sie erzählte Delyon von dem Gespräch.
“Dann mache ich mich besser wieder an die Arbeit.” Er sang den Grünfeuerzauber und ein sanftes Licht flammte auf. Jetzt, da ihr Hunger gestillt war, rollte Maura sich hinter einem muffig riechenden Stapel Wandbehänge zusammen und schlief ein wenig.
In dieser Nacht durchsuchten sie und Delyon den Palast ohne Erfolg und die nächste Nacht ebenso. Während eine Stunde nach der anderen verging, wuchsen Mauras Ärger und Verzweiflung. Falls ihre Ahnin Abrielle ihr eine Erinnerung als Vermächtnis hinterlassen hatte, so war sie wirklich sehr tief in ihr begraben.
Das Blut pochte heftig und schnell in Raths Adern, als seine Armee über den Bergpfad auf die letzte der Blutmondminen zumarschierte. Alle Zweifel, die ihn vor Kurzem noch geplagt hatten, fielen von ihm ab, wenn er an die Männer dachte, die sie aus diesen Todesstollen befreit hatten. Nur noch eine Mine, und sie konnten dem kahlen, gefährlichen Gebirge den Rücken kehren und die östlichen Landstriche befreien, die ihm die vertrautesten und liebsten von allen Gegenden des Königreichs waren.
Plötzlich hörte er das leise, tödliche Zischen eines Pfeils. Einer traf seine Brustplatte und prallte von dem gehärteten Leder ab, das so widerstandsfähig war wie Metall. Der scharfe Schmerz des Aufpralls ließ Rath einen Schrei ausstoßen, als er auch schon jemanden brüllen hörte: “Ein Hinterhalt!”
Rath riss sein Pferd zurück und beugte sich tiefer über dessen Hals, bereit, abzusteigen. Bei einem Hinterhalt bot seine übergroße Gestalt den Bogenschützen ein verlockend leichtes Ziel. Noch bevor er aus dem Sattel rutschen konnte, wieherte sein Pferd schrill auf vor Schmerz und begann zu steigen. Es schlug mit seinen großen Hufen um sich. Rath gelang es kaum, sich im Sattel zu halten, und er versuchte mit aller Kraft, das mächtige Tier zu zügeln. Wenn es sich weiterhin aufbäumte oder gar auf diesem engen Bergpfad durchging, würden sie beide über die Felsen in die Tiefe stürzen.
“In Deckung!”, bellte er seinen Truppen zu und war ausnahmsweise einmal froh über seine verzauberte Stimme. “Schießt zurück!”
Sobald er unverletzt von diesem Tier absteigen konnte, wollte er einen Teil seiner Leute höher ins Gebirge schicken, damit sie ausschwärmten und die Angreifer umgingen. Aber würde er die Gelegenheit dazu überhaupt bekommen? Noch mehr Pfeile streiften seine Rüstung und er sah, dass etliche Pfeile sein Pferd bereits getroffen hatten. Das arme Tier hörte nicht auf zu steigen und zu stampfen.
Hinter sich hörte er das unheilvolle Geräusch herabstürzender Felsbrocken, widerstand aber dem Verlangen, über die Schulter zu blicken, um zu sehen, wie nahe sie dem Rand der Schlucht gekommen waren.
Ein Mann rannte auf ihn zu. Er trug einen Mantel oder eine Decke. Idrygon?
“Bleibt zurück!”, schrie Rath.
Ein Tritt der riesigen Pferdehufe, und die Streitmacht der Rebellen verlor vielleicht den Mann, dessen Visionen und Wagemut sie weitergebracht hatte, als Rath es je für möglich gehalten hätte. Idrygon beachtete den Befehl nicht. Den wirbelnden Hufen
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