Das Orakel von Margyle
von Rath, der lange geschlummert hatte, erwachte, und mit ihm die Erinnerungen, die selbst Tod und Zeit nicht hatten vernichten können.
Wie lange sie sich aneinanderklammerten, Küsse tauschten, Zärtlichkeiten stammelten, wusste er nicht. Doch als er Überraschung und Glück genügend unter Kontrolle hatte, um auch an etwas anderes zu denken, presste er Maura nicht mehr gar so sehr an sich wie bei seinem ersten Kuss.
“Komm,
Aira.”
Er zog sie auf seinen Schlafsack. “Du siehst ganz abgekämpft aus, und du musst am Verhungern sein. Lass mich dir etwas zu essen bestellen.”
“Gleich.” Mit einer zärtlichen Geste strich sie ihm das Haar aus der Stirn. “Im Moment hungere ich nur danach, dir nahe zu sein.”
Sie ließ den Blick über sein Gesicht wandern, als müsste sie sich vergewissern, dass er nicht nur eine flüchtige Erscheinung war. Eine Erscheinung, die in dem Moment verschwinden konnte, in dem sie fortschaute. Als ihre Blicke sich trafen und Rath ihr tief in die Augen sah, glaubte er dort eine leise Traurigkeit zu entdecken.
Vielleicht handelte es sich auch nur um das Spiegelbild seiner eigenen dummen Sorge, ihr Wiedersehen könnte nur ein Traum sein.
“Ich fürchtete, dich niemals wiederzusehen,
Aira.
All die Wochen habe ich mich danach gesehnt, dich um Verzeihung bitten zu können wegen meines Benehmens vor unserer Trennung. Ich schwöre dir, mir fehlte nicht der Glaube an dich, nur der an das Schicksal. Ich hatte Angst, unsere Liebe sei zu schön, um anzudauern. Und ich habe zugelassen, dass diese Furcht unsere Liebe vergiftete.”
Maura schlang ihm die Arme um den Hals. Sie war wie ein sicherer Fels in der Brandung. “Ist das wirklich alles?”
“Ist das nicht genug? Was könnte es sonst sein?” Er hielt sie an sich gepresst, damit sie nicht zurückweichen, seinen Blick suchen und vielleicht die Wahrheit erraten konnte. Wenn sie sie nicht schon längst erraten hatte.
“Nichts.” Ihre Wange strich liebkosend über seine Schulter. “Alles erscheint mir jetzt so dumm. Zu streiten, statt die gemeinsame Zeit zu genießen!”
“An dem Tag, als du in See stachst, war ich gekommen, um dich um Verzeihung zu bitten. Verzeih mir jetzt, ich bitte dich. Ich ertrage es keinen Augenblick länger.”
“Ich habe dir längst verziehen.” Sie löste sich ein wenig von ihm. Gerade genug, um sein Gesicht in die Hände nehmen zu können. “Ich hatte mindestens genauso viel Schuld.”
“Niemals! Du warst aufrichtig, dir und unserem Volk gegenüber.”
“Selbst wenn du das glaubst, tu mir den Gefallen und vergib mir.”
“Aber nur, um dir einen Gefallen zu tun, aus keinem anderen Grund.” Er nahm ihre Hände in die seinen und führte sie nacheinander an die Lippen. “Jetzt lass uns das alles vergessen, außer, dass wir nie wieder im Streit voneinander scheiden.”
Wie die magischen rosa Blütenblätter des Königinnenbalsams teilten sich Mauras Lippen zu einem wunderbaren Lächeln. “Abgemacht.”
Sie besiegelten ihren Pakt mit einem Kuss, der in Rath schmerzlich die Erinnerung an jede Nacht weckte, die sie getrennt gewesen waren. Maura spürte sein Verlangen und ließ die Hand unter sein Gewand gleiten, liebkoste ihn mit verführerischem Streicheln, das ihn lichterloh in Brand setzte.
“Halt”, stöhnte er. “Du musst etwas essen und du brauchst Wasser, um dich nach deiner Reise etwas zu erfrischen. Mein Verlangen kann warten.”
“Kann es das?” Maura gab ihm einen Kuss auf den Halsansatz, öffnete dann die Lippen und glitt mit der Zunge über seine Haut, die vor kaum gezügelter Begierde prickelte. “Ich fürchte, mein Verlangen kann es nicht.”
Während sie die Worte flüsterte, strich ihr Atem über seine von ihrer Zunge feuchte Haut und ließ ihn wohlig erschauern. Obwohl er zu widerstehen versuchte, tastet er unter ihrem Gewand nach ihrer weichen, vollen Brust. Bei seiner Berührung richtete sich ihre Knospe auf.
Leise lachend begann Maura, ihre Reisekleidung abzulegen. “Einmal schnell und wild, um unseren ersten Hunger zu stillen. Danach kann ich essen und dir von meinem Auftrag erzählen.”
Ihr Auftrag, natürlich! Rath hätte sich fast gegen die Stirn geschlagen, weil er nicht danach gefragt, ja noch nicht einmal daran gedacht hatte. Was war das für ein König, der sich durch Herzensangelegenheiten von dieser lebenswichtigen Aufgabe ablenken ließ?
“Der Stab – hast du ihn mitgebracht?” Wenn sie hier war, so hieß das sicher, dass sie und Delyon mit ihrer
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