Das Orakel von Margyle
Heaven. Seine Bande von Gesetzlosen hält die Burg besetzt. Er wird sie uns kaum freiwillig übergeben.”
Idrygon trommelte mit den Fingern auf den Tisch und runzelte noch stärker die Stirn. “In diesem Fall werden wir sie ihm eben wegnehmen müssen.”
“Glaubst du, er meint es ernst?”, fragte Maura später in der Nacht, als sie sich im Schlafsack an Rath kuschelte. “Will er Vang die Burg wirklich wegnehmen?”
“Er war nicht zu Scherzen aufgelegt.” Rath gähnte und freute sich auf seine erste wirklich erholsame Nachtruhe seit seiner Abreise aus Margyle. “Wenn es etwas gibt, das ich über Lord Idrygon gelernt habe, dann, dass der Mann keinen Funken Humor in sich hat.”
Ein leises Lachen ließ Mauras ganzen Körper vibrieren. “Das muss in der Familie liegen.”
“Wie? Willst du damit sagen, dass Delyon Klugheit besitzt, aber keinen Humor? Ich dachte, er sei das lebende Abbild von Langbard?”
Die dumme, alte Eifersucht ließ seine Worte schärfer klingen, als ihm lieb war. Was hatte sich zwischen Maura und Delyon während ihrer gefährlichen Suche abgespielt? Hatte sie bei dem hübschen Gelehrten Schutz und Trost gesucht? War das der Grund für diesen Anflug von Traurigkeit, den er in ihren Augen entdeckt zu haben glaubte?
Mauras schallendes Lachen ließ Raths Argwohn wie eine Seifenblase zerplatzen. “Rath Talward! Jetzt sag bloß, du hast in dem armen Delyon einen Rivalen gesehen. Na, dann kannst du beruhigt sein. Ich hätte alles drum gegeben, dich statt seiner zum Reisegefährten zu haben. In was für Schwierigkeiten er uns gebracht hat!”
Als sie ihm erzählte, wie Delyon für ihre Verhaftung gesorgt hatte, indem er einen hanischen Anschlag von der Mauer riss, hatte Rath gut Lust, den Idioten wegen seiner Unbekümmertheit zu verprügeln. Und doch konnte er eine gewisse Befriedigung darüber, dass Maura Delyon eher lästig als anziehend gefunden hatte, nicht unterdrücken.
“Bei unserer gemeinsamen Reise musst du mir gegenüber wohl ähnlich empfunden haben”, meinte Maura. “Weil ich allen Leuten helfen wollte, habe ich uns andauernd in Schwierigkeiten gebracht.”
“Hin und wieder schon.” Rath rieb die Wange an ihrem Haar. “Die Han zu überlisten, damit sie euch nach Venard brachten – das war sehr gewagt. Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte.”
Selbst jetzt noch entsetzte ihn der Gedanke, welch ein Risiko sie eingegangen war, doch gleichzeitig war er voller Bewunderung für ihren scharfen Verstand und ihre Courage.
“Du hättest dasselbe getan! Deswegen kam ich ja auf die Idee. Immer, wenn wir in der Klemme saßen, dachte ich: Was würde Rath jetzt machen, wenn er hier wäre
?”
“Ich hätte mir in die Hosen gemacht, wenn ich unter einem Tisch mit lauter hanischen Offizieren und Echtroi gesessen hätte!”
“Hättest du nicht. Denk doch daran, was du alles erreicht hast, seit du in Duskport gelandet bist. Dein Name ist in aller Munde und die Han sind mit ihrer Weisheit am Ende, weil sie nichts dagegen tun können. Du hast den Menschen wieder Hoffnung gegeben.”
Sosehr er sich auch nach ihrer Anerkennung sehnte, diese Ehre konnte er nicht für sich beanspruchen. “Das ist Idrygons Verdienst. Ich bin nur eine übergroße Marionette, die der Menge ein Schauspiel liefert und ansonsten tut, was man ihr sagt, ob sie damit einverstanden ist oder nicht.”
“Zum Beispiel,
Aira?”
Zwar wollte er ihr nicht gleich in ihrer ersten Nacht all seine Sorgen aufbürden, aber ihre warme Zuneigung und ihre offene Unterstützung verleiteten ihn dazu. Schon breitete er all seine Befürchtungen vor ihr aus – wegen der Metzelei, deren Zeuge er im Diesseitsland geworden war, und wegen der Rolle der übermenschlichen Legende, die er spielen musste.
“Und jetzt diese Sache, dass wir Vang die Burg entreißen sollen. Ich bin kein großer Freund von ihm, doch ich hasse den Gedanken, meine Armee gegen meine eigenen Landsleute einzusetzen. Es muss doch einen anderen Weg geben.”
“Allein die Tatsache, dass du ein Problem anders als durch Gewalt lösen willst, spricht schon für dich!” Mauras Haar strich sanft über seine Schulter. “Ob es dir gefällt oder nicht, du bist mehr König als Gesetzloser,
Aira.
Idrygon mag dir das Fundament gegeben haben, um diesen Aufstand zu beginnen, doch die Festlandbewohner, die seitdem deiner Armee beigetreten sind, tun es deinetwegen. Nicht wegen der Legende vom Wartenden König, sondern wegen dem, wofür diese Legende steht. Etwas
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