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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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überreden konnte, Euch und Seine Hoheit zu sehen?”
    Einen Moment lang fragte sich Maura, vom wem Delyon wohl sprach. Es fiel ihr schwer, sich daran zu gewöhnen, dass jedermann in Idrygons Haus Rath mit seinem Titel ansprach.
    “Ich kann hier auf Euch warten, falls Ihr befürchtet, später den Rückweg nicht zu finden. Ich wünschte, ich hätte mir etwas zum Lesen mitgebracht.”
    “Ich will Euch nicht zwingen, hier Eure Zeit zu vertrödeln, wenn Ihr noch Arbeit zu erledigen habt.” Maura deutete auf einen kleinen Hügel. “Außerdem kann ich von hier aus Euer Haus sehen. Ich werde keine Mühe haben, den Weg zurückzufinden.”
    Sie wartete nicht, bis er ging, sondern straffte die Schultern und stieß das mit Reben überwachsene Tor auf. Einmal hindurchgegangen folgte sie einem Pfad. Er schlängelte sich durch ein kurzes Waldstück, bis der Wald sich öffnete und sie vor einer Hütte stand, deren Wände genauso weiß verputzt waren wie die von Idrygons elegantem Haus. Aber das strohgedeckte Dach ließ Maura den Ort viel heimeliger und einladender erscheinen.
    “Hallo.”
    Maura fuhr herum und sah ein kleines Mädchen mit wilden dunklen Locken, das am Waldrand Pilze pflückte. Es sah nicht älter aus als Noll Howen zu Hause in Windleford, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt.
    “Hallo.” Maura presste die Hand auf die Brust, um ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen. “Wohnst du hier?”
    Vielleicht war die Kleine ein Mündel des Orakels, so wie sie selbst eines von Langbard gewesen war.
    “Ja.” Das Mädchen stand auf und klopfte sich die Röcke aus. “Ihr seid vom Festland gekommen, nicht wahr … Mistress Woodbury?”
    “Das stimmt.” Maura wunderte sich, woher das Mädchen ihren Namen wusste. “Um das Orakel zu treffen. Seit ich in deinem Alter war, habe ich die Leute darüber reden hören, aber nie geglaubt, es einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Stimmt es, dass es Hunderte von Jahren alt ist?”
    Das Kind lachte so sehr, dass es sich krümmte. Als es sich endlich wieder in der Gewalt hatte, hob es seinen Pilzkorb auf. “Was die Leute für komische Ideen haben! Doch ich schätze einmal, so falsch ist es irgendwie auch wieder nicht.”
    In dem Moment öffnete sich die Tür und eine Frau mittleren Alters eilte mit einem Bündel Wäsche nach draußen.
    “Ist
sie
das Orakel?”, flüsterte Maura dem Kind zu. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass sich so eine berühmte Persönlichkeit herabließ, eine so alltägliche Arbeit wie Wäschewaschen zu verrichten. Doch bei ihr und Rath war es auch nicht anders – die Auserkorene Königin mischte Einreibemittel und der Wartende König mähte eifrig Heu auf Blen Maynolds Bauernhof.
    “Nein, Dummerchen!” Wieder fing das Kind zu kichern an und schüttelte den Kopf. “
Ich
bin es.”
    Beinahe hätte Maura über den Scherz gelacht, als die Frau rief: “Ist das der Gast, den Ihr erwartet, Mistress? Wenn Ihr ihn hereinführen wollt, dann kann ich Euch Kekse und Lipmasaft bringen.”
    “Kekse!”, quietschte das Orakel wie jedes andere Kind bei der Aussicht auf etwas zum Naschen. “Ich sollte öfter Gäste haben.”
    Während Maura versuchte, sich von ihrer Überraschung zu erholen, schüttelte die Dienerin den Kopf. “Nein, Mistress, Ihr wisst, der Rat sieht es nicht gern, wenn Ihr zu oft belästigt werdet. Madame Verise sagt, diese Dame hier ist ein besonderer Fall.”
    “Ich bitte um Verzeihung, großes Orakel!” Maura machte eine tiefe Verbeugung vor dem Kind. Ihr Gesicht fühlte sich an, als hätte es einen bösen Sonnenbrand.
    “Ist schon in Ordnung.” Das Kind zuckte die Achseln. “Ihr gabt mir Anlass zum Lachen. In der letzten Zeit hatte ich den nicht oft.”
    In seinen nebelgrauen Augen konnte Maura kurz eine Weisheit und Traurigkeit entdecken, die weit über sein Alter hinausgingen.
    “Möchtet Ihr zu Keksen und einem Getränk hereinkommen?” Das Orakel deutete mit dem Kopf auf die Hütte. “Der Fruchtsaft stammt noch aus einem Vorrat, den das letzte Orakel vor zwei Sommern angelegt hatte. Dieses Jahr hatten wir eine gute Lipmaernte. “
    “Das … letzte Orakel?” Maura folgte dem Mädchen in eine behagliche Hütte, in der sie sich sofort zu Hause fühlte. “Wird ein neues gewählt, wenn das alte stirbt?”
    “Oh nein.” Das Orakel stellte seinen Pilzkorb auf den Tisch. “Das würde überhaupt nicht funktionieren. Dann gingen ja alle Erinnerungen verloren.”
    Die Erinnerungen? Vielleicht erriet aber das Orakel ihre

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