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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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zuckte zusammen, als würde es solch einen Schmerz kennen. “Durch die Art, wie wir Orakel aufgezogen werden, wissen wir, dass Familienbande durch Liebe entstehen, nicht nur durch Blut allein. Deswegen hätte das Orakel nie daran gedacht, auf diesen Unterschied hinzuweisen.” Das Mädchen erhob sich von seinem Stuhl, ging mit feierlichen Schritten auf Maura zu und legte ihr mit einer segnenden Geste die Hand auf den Kopf. “Ihr seid Langbards Tochter und Ihr entstammt der Ahnenlinie Abrielles. Ich mag in Vielem nicht sicher sein, aber ich
weiß
, dass Ihr die letzte Auserkorene Königin seid.”
    “Die letzte?” Wie ein Wassertropfen aus einem eiskalten Brunnen rann das Wort Maura den Rücken hinunter. “Das ist etwas, das ich nicht verstehe. Die Weisen sprachen vom jährlichen Ausschicken der Botenvögel und von König Elzabans Geist, der vor Rath in anderen Männern gewohnt hat. Heißt es das, was ich befürchte? Hat es vor uns andere Auserkorene Königinnen und Wartende Könige gegeben, die gescheitert sind?”
    Das junge Orakel nickte mit einem Ausdruck des Bedauerns. “Das waren einige der wichtigsten Erinnerungen, die Namma mir übermittelte. Wir sprachen darüber, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich alles verstanden habe. Seht ihr, schon bevor die Han kamen, gab es schwere Zeiten. Einige Auserkorene Königinnen lachten nur bei der Vorstellung, was sie tun sollten. Andere waren zu ängstlich, einen Schritt über die eigene Türschwelle zu machen.”
    Maura konnte es ihnen nicht übel nehmen. “Zuerst lachte ich auch. Ich hatte Angst. Wenn Langbard mir nicht angeboten hätte, mit mir zu gehen, und später Rath, würde ich mich vielleicht immer noch in Windleford verstecken und hoffen, dass das Schicksal es müde wird, auf mich zu warten, und jemand anderen erwählt.” Sie hob den Blick und sah dem Kind ins Gesicht. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte eine weise alte Frau vorgefunden, die ihr einen Rat geben könnte. “Eines kann ich trotzdem nicht verstehen. Wenn die anderen wirklich dazu bestimmt waren, wieso konnten sie scheitern? Ich habe so lange gebraucht, bis ich meinem Schicksal vertraute – und nun erzählt Ihr mir, dass es gar keine Rolle spielt.”
    Maura versuchte, den scharfen, frustrierten Ton in ihrer Stimme zu dämpfen. Schließlich war es nicht der Fehler des Kindes. Und sie erwartete auch nicht wirklich eine Antwort. Ganz so wie Langbard einmal gesagt hatte: “
Schau um dich, mein Liebes, schau auf all die Wunder in der Schöpfung des Allgebers. Wie können einfache Wesen, wie wir es sind, seinen Plan oder seine Absicht ergründen?”
    Das Orakel streckte die Hand aus. “Macht Ihr einen Spaziergang mit mir, bevor Ihr wieder gehen müsst?”
    Die Bürde zu großen Wissens war aus seinen Augen verschwunden und das Mädchen sah aus wie jedes Kind in seinem Alter, voller Lust, loszulaufen und zu spielen. Zweifellos war es des ganzen ernsten Gesprächs und all der Worte, die aus seinem Mund kamen und die es nur halb verstand, müde.
    “Aber gerne.” Maura ergriff seine Hand und erhob sich mit, wie sie hoffte, glaubwürdiger Begeisterung von ihrem Stuhl. Zusammen verließen sie die Veranda und spazierten auf die Wiese, die zum Meer hinunter abfiel. Doch das Orakel wählte nicht diesen Weg, sondern führte Maura zu einem bewaldeten Hügel. Es deutete zum Gipfel hinauf. “Dort oben ist der schönste Meditationsplatz der ganzen Inseln. Ich gehe dort oft hin, wenn ich in Schwierigkeiten bin. Dort erscheint irgendwie alles klarer. Wenn es irgendeinen Platz auf der Welt gibt, wo Ihr Antworten auf Eure Fragen findet, dann ist es dort.”
    Antworten – davon konnte Maura allerdings ein paar gebrauchen. Der Hügel sah steil und dicht bewaldet aus, doch eine Lücke zwischen den Bäumen am Fuß des Hügels mochte der Beginn eines Fußwegs sein. “Gut denn, lasst uns gehen.”
    Das Kind rannte voraus und schrie: “Ich sehe Euch oben!”
    “Wartet auf mich!” Maura fand keinen Gefallen an der Vorstellung, den steilen, dicht bewachsenen Hügel hinauf ein Wettrennen zu veranstalten. Den Saum ihres Gewandes raffend lief sie hinter dem Kind her, das schon zwischen den Bäumen verschwunden war.
    “Oh, diese Schuhe!” Maura unterdrückte einen Fluch, als die gebogenen Spitzen sie fast stolpern ließen. Die festen Wanderstiefel, die Sorsha ihr gegeben hatte, als sie Windleford verließ, wären für diese Kletterei viel geeigneter gewesen. Kaum hatte sie die ersten Bäume erreicht, gabelte

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