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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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dem verlassenen Haus ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
    “Geht wieder zurück, Delyon!” flüsterte sie eindringlich. “Da draußen ist jemand.”
    Leise schimpfend nahm Delyon seine Schriftrolle an sich und verzog sich wieder in die Ecke, wo er nicht gesehen werden konnte, zumindest solange niemand die Hütte betrat.
    Maura nahm eine Fingerspitze von den Genowschuppen und sang ganz leise die Beschwörungsformel für den Unsichtbarkeitszauber. In den letzten Tagen war sie oft versucht gewesen, sich unsichtbar zu machen, um am helllichten Tag umhergehen zu können. Doch Idrygon hatte strikte Anweisung gegeben, den Zauber nur in dringenden Fällen zu benutzen.
    Nun, das hier war einer. Sie musste herausfinden, ob es Gulls Bote war, der hier herumschlich. Maura wusste, dass der Zauber wirkte, weil sie hörte, wie Delyon leise nach Luft schnappte.
    “Verhaltet Euch ruhig”, flüsterte sie. Dann schlüpfte sie durch die Tür, während sie in ihrem Schultergürtel nach etwas Irrsinnsfarn kramte. Falls ein anderer als Gulls Bote da draußen war, dann durfte etwas Irrsinnsfarn, zusammen mit einem Schulterklopfen und einer gestaltlosen Stimme, genügen, um Ven Gyllias Ruf als gespenstischer Ort zu festigen.
    Gerade als Maura aus der Hütte trat, hörte sie jemanden in der Nähe Holz hacken. Sie folgte dem Klang und erreichte einen mit Bäumen bestandenen Platz, wo ein Mann dabei war, den schlanken Stamm eines Weißborkenbaumes mit dem Beil zu bearbeiten. Während er auf den Baum einhackte, brummte er vor sich hin, laut genug, dass Maura ihn verstehen konnte.
    “'Bring die Nachricht nach Ven Gyllia', sagt Gull zu mir. 'Was soll das für eine Nachricht sein?', sage ich. 'Das wirst du wissen, wenn du sie hörst.' Wirklich, ein hübsches Rätsel, das!”
    In ihrer Aufregung ließ Maura alle Vorsicht fahren. “Welche Nachricht habt Ihr gehört?”
    “Wer ist da?” Der Mann fuhr herum und hielt die Axt vor sich. “Zeigt Euch!”
    “Das kann ich nicht.” Maura zog sich zurück und suchte hinter einem Baum Schutz. “Aber ich bin ein Freund von Gull. Bitte, erzählt mir die Nachricht, die er Euch bat, mir zu überbringen.”
    Der Mann lockerte seinen Griff um die Axt etwas. “Die Han sind in Aufruhr und die Leute sagen, der Wartende König sei mit einer Armee gekommen, um uns zu befreien.”
    Ganz schwach vor Erleichterung lehnte Maura sich gegen den Baum und genoss die Berührung der rauen Rinde an ihrer Wange.
    “Es ist wahr!”, hauchte sie.
    Der Bote musste sie gehört haben, denn er ließ die Axt sinken. “Na ja, ich … der Wartende König? Ich dachte, das sei nur ein Märchen für die Kinder.”
    “Verbreitet die Nachricht unter Euren Nachbarn”, bat Maura ihn. “Und sagt mir, wie ich von hier aus Venard erreiche, ohne ungewollte Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.”
    “Bleibt, solange Ihr könnt, in den Wäldern.” Der Mann zeigte nach Osten. “Dann werdet Ihr die Hauptstraße sehen. Sie führt nach Venard … wie alle Hauptstraßen. Bleibt so weit weg von ihr wie möglich, aber behaltet sie immer im Auge. Viele hanische Soldaten werden nach Norden ziehen, um den Wartenden König zu bekämpfen, aber die, die hierbleiben, werden dafür sorgen, dass kein Umbrianer an seiner Seite kämpft.”
    “Ich danke Euch, dass Ihr mir diese willkommene Nachricht überbracht habt”, sagte Maura. “Wenn der Wartende König seinen Thron zurückerobert hat, kommt an den Hof und Ihr werdet reich belohnt.”
    Das schien den Boten an etwas zu erinnern. Er legte seine Axt nieder, zog eine kleine Börse aus seiner Tasche und warf sie in Mauras Richtung. Es klirrte, als sie in ihrer Nähe auf den Boden fiel.
    “Gull sagte, ich solle Euch das geben. Falls Ihr Proviant kaufen oder in der Klemme steckt und jemanden bestechen müsst.”
    Nachdem sie ihm noch einmal gedankt hatte, hob Maura hastig die Börse auf und lief zur Hütte zurück. In ihrer Abwesenheit war Delyon näher zum Eingang gerückt, um seine Schriftrolle besser studieren zu können. Aber Maura war zu glücklich, um wieder mit ihm zu schimpfen. Stattdessen schlang sie ihm die Arme um den Hals. “Alles ist gut! Die Invasion hat begonnen!”
    Erst als Delyon einen erstickten Schrei ausstieß und versuchte, nach ihr zu schlagen, fiel Maura wieder ein, dass sie unsichtbar war.
    “Delyon, hört auf!” Vor Lachen brachte sie kaum ein Wort heraus – ihre große innere Anspannung ließ nach. “Ich bin's, Maura. Tut mir leid, dass ich Euch erschreckt

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