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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Weg macht. Und ich würde gerne wissen, mit wem er seinen Weg macht und ob der Abgeordnete Bescheid weiß.«
    »Ich dachte, es ginge um eine Geschichte mit Hundescheiße«, pustete Marc in seine Flasche.
    Wenn man in eine Flasche pustet, gibt das fabelhafte Geräusche. Fast wie der Wind über dem Meer.
    »Das ist eine andere Geschichte. Den Abgeordneten überlasse ich Vincent. Er ist Journalist, er wird das sehr gut machen. Vincent sitzt auf der anderen Bank, da hinten, der Typ, der aussieht, als ob er schläft.«
    »Ich seh ihn.«
    »Du kannst den Kopf wieder heben, der Ultra ist hochgegangen. Aber bleib natürlich. Diese Typen sehen aus den Fenstern.«
    »Da ist ein Hund«, sagte Marc. »Ein mittelgroßer Hund.«
    »Sehr gut, schreib auf, er kommt zu uns. 18 Uhr 47, Bank 102. Frau, etwa vierzig, braunes, glattes, halblanges Haar, groß, etwas mager, nicht sehr hübsch, gut gekleidet, recht wohlhabend, blauer, fast neuer Mantel, Hosen. Kommt aus der Rue Descartes. Hör auf zu schreiben, der Hund kommt angetanzt.«
    Marc trank einen Schluck Bier, während der Hund sich um den Baum zu schaffen machte. Noch ein Stückchen weiter, und er würde ihm im Dunkeln auf die Füße pinkeln. Die Pariser Hunde hatten wirklich keinen Sinn für gar nichts mehr. Die Frau wartete geduldig, mit vagem Blick.
    »Schreib auf«, fuhr Kehlweiler fort. »Rückweg, selbe Richtung. Mittelgroßer Hund, Cockerspaniel, alt, müde, hinkt.«
    Kehlweiler trank seine Flasche in einem Zug leer.
    »So«, sagte er, »genau so machst du das. Ich komm später wieder vorbei. Ist das o.k.? Frierst du auch nicht? Du kannst von Zeit zu Zeit ins Café. Von der Bar aus sieht man, was vorbeikommt. Aber stürz dich nicht auf die Bank wie ein Irrer, mach langsam, wie wenn du hier deinen Bierrausch ausschlafen oder auf eine Frau warten würdest, die nie kommt.«
    »Das kenne ich.«
    »In zwei Tagen haben wir dann die Liste mit den Stammbesuchern des Platzes. Danach teilen wir uns die Beschattungsgänge auf, um herauszufinden, wer sie sind und woher sie kommen.«
    »Einverstanden. Was hast du da in der Hand?«
    »Das ist meine Kröte. Ich befeuchte sie ein bißchen.«
    Marc biß die Zähne zusammen. O.k. dieser Typ war beknackt. Und er hatte sich auf ihn eingelassen.
    »Du magst keine Kröten, nicht? Sie tut niemandem was zuleide, wir reden miteinander, das ist alles. Bufo – sie heißt Bufo – hör mir genau zu: Der Mann, mit dem ich rede, heißt Marc. Er ist ein Sprößling von Vandoosler. Und die Sprößlinge von Vandoosler sind unsere Sprößlinge. Er wird die Köter an unserer Stelle überwachen, während wir essen gehen. Hast du kapiert?«
    Kehlweiler hob den Blick zu Marc.
    »Man muß ihr alles erklären. Sie ist ziemlich blöd.«
    Kehlweiler lächelte und steckte Bufo in seine Tasche zurück.
    »Guck nicht so. Eine Kröte ist sehr nützlich. Man ist gezwungen, die Welt in extremer Weise zu vereinfachen, um sich verständlich zu machen, und das ist manchmal erleichternd.«
    Kehlweiler lächelte noch stärker. Er hatte eine besondere, ansteckende Art des Lächelns. Marc lächelte. Er würde sich von einer Kröte nicht verunsichern lassen. Was macht man für einen Eindruck in der Welt, wenn man vor einer Kröte Schiß hat? Den eines Idioten. Marc hatte große Angst, Kröten anzufassen, o.k., aber er hatte auch große Angst, den Eindruck eines Idioten zu erwecken.
    »Kann ich im Gegenzug etwas wissen?« fragte Marc.
    »Frag nur.«
    »Warum nennt Marthe dich Ludwig?«
    Kehlweiler nahm seine Kröte wieder heraus.
    »Bufo«, sagte er. »Der Sprößling von Vandoosler wird noch nerviger sein als gedacht. Was hältst du davon?«
    »Du mußt nicht antworten«, bemerkte Marc matt.
    »Du bist von der Art deines Onkels, du verstellst dich, aber du willst alles wissen. Man hatte mir allerdings zu verstehen gegeben, daß das Mittelalter dir ausreichen würde.«
    »Nicht ganz, nicht immer.«
    »Das hat mich auch gewundert. Ludwig ist mein Name. Louis, Ludwig, der eine oder der andere, so ist das, du kannst dir einen aussuchen. Das war schon immer so.«
    Marc sah Kehlweiler an. Kehlweiler streichelte Bufos Kopf. Eine Kröte ist häßlich. Und außerdem noch dick.
    »Was fragst du dich, Marc? Wie alt ich bin? Rechnest du?«
    »Natürlich.«
    »Versuch’s nicht, ich bin fünfzig.«
    Kehlweiler stand auf.
    »Hast du’s jetzt?« fragte er. »Hast du nachgerechnet?«
    »Ich hab’s.«
    »Geboren März 1945, kurz vor Ende des Krieges.«
    Marc drehte seine kleine Bierflasche

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