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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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finden. Sein Onkel hatte einem Mörder zur Flucht verholfen, das wußte er, und das war auch der Grund gewesen, weshalb man ihn bei den Bullen rausgeworfen hatte. Aber Mathias hatte dreimal genickt, und Marc, der großen Respekt vor Mathias’ schweigsamen Einschätzungen hatte, war getröstet. Es kam selten vor, daß der heilige Matthäus sich über jemanden täuschte, sagte Vandoosler der Ältere.

10
    Am Samstag vormittag war Marc zum Arbeiten in Kehlweilers Bunker. Er hatte wie immer ausgeschnitten und geordnet und das Aktuellste in den vermischten Nachrichten gesichtet, aber, von den üblichen Unfällen abgesehen, nichts Besonderes bemerkt und nicht die Spur eines Fußes entdeckt. Er hatte archiviert, dafür wurde er ja bezahlt, aber offen gestanden war es an der Zeit, daß diese Treibjagd von Bank 102 zu einem Ende führte, und sei es auch ins Nichts. Er hatte sich an die Gegenwart der alten Marthe in seinem Rücken gewöhnt. Manchmal ging sie raus, manchmal blieb sie und las schweigend oder vertiefte sich hartnäckig in ein Kreuzworträtsel. Gegen elf Uhr machten sie sich einen Kaffee, dann nutzte sie die Gelegenheit, das Schweigen zu brechen und ein bißchen zu schwatzen. Auch sie hatte anscheinend Informationen für Ludwig gesammelt. Aber sie sagte, sie würde inzwischen die Bänke verwechseln, zum Beispiel die 102 mit der 107, und sei nicht mehr so erfolgreich wie früher, und das mache sie manchmal trübsinnig.
    »Da kommt Ludwig«, sagte Marthe.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich erkenne seinen Gang im Hof, er zieht das Bein nach. Zehn nach elf, das ist nicht seine Zeit. Das liegt an dem Hund, der macht ihn wahnsinnig. Es ist kein Ende abzusehen, alle sind es leid.«
    »Wir haben umfassende Berichte erstellt. 23 Hunde mit ihren Herrchen, alles friedliche Leute und nichts dabei herauszuholen. Hat er immer so gearbeitet, auf der Grundlage von nichts? Über einen x-beliebigen Dreck?«
    »Immer auf irgendeiner Fährte«, erwiderte Marthe. »Aber Vorsicht, er ist ein Seher. Damit hat er sich da oben einen Namen gemacht. Den Dreck zu finden ist Ludwigs Berufung, sein Schicksal, seine Neigung.«
    »Gibt’s was, was ihn hindern kann, die Leute zu nerven?«
    »Aber ganz bestimmt. Schlaf, Frauen, Kriege. Das ist schon ’ne ganze Menge, wenn du mal drüber nachdenkst. Wenn er schlafen oder sich Nudeln kochen will, kannst du nichts aus ihm herausholen, dann ist ihm alles egal. Dasselbe mit den Frauen. Wenn es mit der Liebe nicht läuft, dreht er sich im Kreis, dann ist ihm alles egal. Und ich wundre mich, daß er soviel arbeitet, denn was das angeht, geht es ihm Augenblick gar nicht gut.«
    »Aha«, bemerkte Marc befriedigt. »Und die Kriege?«
    »Also mit den Kriegen ist es noch mal was anderes. Das ist der Gipfel. Wenn es ihn überkommt und er daran denken muß, hindert ihn das am Schlafen, am Essen, am Lieben und am Arbeiten. Kriege sind etwas, was überhaupt nicht gut für ihn ist.«
    Marthe schüttelte den Kopf, während sie in ihrem Kaffee rührte. Marc mochte sie mittlerweile. Sie herrschte ihn ständig an, als wäre er ihr Kind, dabei war er doch immerhin sechsunddreißig, oder als hätte sie ihn aufgezogen. Sie sagte: »Einer alten Nutte wie mir wirst du nichts erzählen wollen, ich kenn mich aus mit Männern.« Das sagte sie ständig. Marc hatte ihr Mathias gezeigt, und sie hatte gesagt, das sei ein guter Kerl, ein bißchen unzivilisiert, aber gut, sie kenne sich aus mit Männern.
    »Du hast dich getäuscht«, sagte Marc und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. »Das war nicht Louis.«
    »Sei still, du hast keine Ahnung. Er unterhält sich unten mit dem Maler, das ist alles.«
    »Ich weiß, warum du ihn Ludwig nennst. Ich habe ihn gefragt.«
    »Na, da bist du ja jetzt ein gehöriges Stückchen weiter.«
    Marthe stieß verächtlich den Rauch aus.
    »Aber mach dir keine Sorgen, er wird sie schon finden, verlaß dich drauf«, fügte sie brummend hinzu, während sie mit der Zeitung raschelte.
    Marc insistierte nicht weiter, außerdem war das kein Thema, das Marthe angenehm war. Er hatte ihr nur sagen wollen, daß er es wußte, weiter nichts.
    Kehlweiler trat ein und bedeutete Marc, mit dem Archivieren aufzuhören. Er zog einen Schemel zu sich heran und setzte sich ihm gegenüber.
    »Lanquetot, der zuständige Inspektor, hat mir heute morgen die letzten Informationen über das Viertel und die 19 anderen Arrondissements gegeben: nichts in Paris, Marc, nichts. Auch nichts in der Banlieue, das hat er

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