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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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klein, dieses Land, wirklich zu klein.«
    »Gibt’s in diesem bretonischen Dorf jemanden, den du kennst? Sag bloß.«
    »Rate.«
    »Mit wieviel Buchstaben?«
    »Sieben.«
    »Mann oder Frau?«
    »Frau.«
    »Aha. Die du geliebt hast, ein bißchen, oder gar nicht?«
    »Die ich geliebt habe.«
    »Das haben wir schnell. Die zweite? Nein, sie ist in Kanada. Die dritte? Pauline?«
    »Ganz genau. Komisch, nicht?«
    »Komisch … Das hängt davon ab, was du vorhast.«
    Louis strich sich mit der Karteikarte über die Wange.
    »Keine Strafexpedition, Ludwig, hörst du? Die Menschen sind frei, sie tun, was sie wollen. Ich habe die kleine Pauline sehr gemocht, abgesehen davon, daß sie es sehr mit dem Geld hatte, das war der Grund, weshalb du sie verloren hast. Und du weißt, daß ich mich mit Frauen auskenne. Woher weißt du, daß sie dort lebt? Ich dachte, sie hätte sich nie mehr gemeldet.«
    »Ein einziges Mal«, sagte Louis und zog einen Karteikasten hervor, »nämlich um mich auf so einen üblen Fall in ihrem Kaff hinzuweisen, das ist jetzt vier Jahre her. Sie hatte mir einen Zeitungsausschnitt über den Kerl geschickt und ihre eigenen Notizen hinzugefügt. Aber nicht ein persönliches Wort, nichts, nicht einmal ›Ich umarme dich‹ oder ›Paß auf dich auf‹. Nur die Informationen, weil sie dachte, daß der Kerl mies genug wäre, um in meine Kartei aufgenommen zu werden. Nicht einmal ›Ich umarme dich‹, nichts. Ich habe auf dieselbe Art geantwortet, habe den Eingang bestätigt und den Kerl in die dicke Schachtel getan.«
    »Pauline hat immer gute Auskünfte geliefert. Wer ist der Kerl?«
    »René Blanchet«, erwiderte Louis und zog eine Karte aus der Kartei. »Kenne ich nicht.«
    Schweigend las er ein paar Sekunden.
    »Faß zusammen«, sagte Marthe.
    »Ein alter Dreckskerl, da kannst du sicher sein. Pauline kannte meine Vorlieben.«
    »Und seit vier Jahren hast du ihre Adresse und hast nie daran gedacht, da mal hinzufahren?«
    »Doch, Marthe, zwanzigmal. Hinfahren, diesen Blanchet unter die Lupe nehmen und versuchen, Pauline bei der Gelegenheit zurückzuholen. Ich konnte sie mir ziemlich gut vorstellen, wie sie da allein in einem großen Haus an der Küste wohnt, gegen das der Regen prasselt.«
    »Nimm’s mir nicht übel, aber das würde mich wundern, ich kenn mich aus mit Frauen. Warum hast du den Versuch schließlich und endlich nicht gewagt?«
    »Hast du schließlich und endlich mein Gesicht gesehen, hast du mein Bein gesehen? Ich kenn mich auch aus, Marthe. Und außerdem hat das keinerlei Bedeutung, mach dir keine Sorgen. Ich wäre Pauline schon irgendwann mal begegnet. Wenn man sein Leben auf den Straßen eines zu kleinen Landes verbringt, hat man die Begegnungen, die man verdient, sowohl die, die man herbeiführt, als auch die, die man ersehnt, mach dir keine Sorgen.«
    »Trotzdem …«, brummte Marthe. »Keine Strafexpedition, Ludwig, hörst du?«
    »Wiederhol nicht immer dasselbe. Willst du ein Bier?«

11
    Louis brach am nächsten Tag gegen elf Uhr ohne Eile auf. Der Hundebesitzer wohnte wirklich am Ende der Bretagne, etwa zwanzig Kilometer von Quimper entfernt. Man mußte gut sieben Stunden Fahrt rechnen, und eine Pause, um ein Bier zu trinken; Louis hetzte sich nicht gern beim Autofahren, und er konnte keine sieben Stunden in Folge ohne Bier verbringen. Das mit dem Bier hatte er von seinem Vater.
    Mathias’ Zettel zog vor seinen Augen vorüber. Der Hund: »Mittelgroß, beige mit kurzem Fell, kräftige Zähne, vielleicht ein Pitbull, auf jeden Fall eine miese Visage.« Das machte das Herrchen nicht sympathisch. Der Mann: »Etwa vierzig, hellbraunes Haar, dunkle Augen, fliehendes Kinn, davon abgesehen aber recht gutaussehend, allerdings leichter Bauch, Name …« Wie war noch gleich sein Name? Sevran. Lionel Sevran. Der Mann mit dem Hund war also gestern morgen wieder mit dem Hund in die Bretagne zurückgefahren und würde dort bis nächsten Donnerstag bleiben. Er brauchte ihm nur zu folgen. Louis fuhr in mäßigem Tempo. Er hatte durchaus daran gedacht, jemanden mitzunehmen, damit dieses ungewisse Rennen weniger öde und sein Bein weniger steif wäre, aber wen? Die Leute, die ihm Informationen aus den vier Departements der Bretagne schickten, saßen alle irgendwo fest, sie waren an ihren Hafen, ihr Geschäft, ihre Zeitungen gebunden, man konnte sie nicht von dort fortbewegen. Sonia? Gut, Sonia war abgehauen, er würde jetzt nicht den ganzen Tag damit verbringen. Das nächste Mal würde er versuchen,

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