Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
braucht ihm nur den Finger vorzusetzen. Das ist nicht für jeden erstbesten zu verstehen. Ein gewöhnlicher Mörder, der bei Erscheinen des ersten Bullen aufgibt, der nie an die Geschichte von der Ameise und der Sonne gedacht hat, würde sich binnen zwei Tagen schnappen lassen.
    Nicht so dumm sein. Und der Mann, der mit seiner Hundescheiße aus Paris aufgekreuzt ist, wird seinen Schmerz kennenlernen, wenn er nicht abzieht. Und er wird nicht abziehen. Er will überall sein, alles sehen, alles wissen, alles können. Für wen hält er sich, dieser erbärmliche Wicht? Weniger erbärmlich als die anderen, aufpassen. Egal, ich kenne d ie Kategorie. Der Humanist im Offiziersrock, was Bornierteres gibt es nicht. Wenn er überall Feuer legen will, um die Ratten zu vernichten, wird er einen Schlag mit dem Feuerlöscher abbekommen. Schnell und exakt. Er wird im Graben landen, so schnell, daß er’s nicht mal kommen sieht. Ich halte den Faden in der Hand. Und wenn wir mit dem kleinen Scheißkerl fertig sind, werd ich mir den Dichter vornehmen. Das wird großartig sein. Wenn ich nicht was anderes geworden wäre, wäre ich eigentlich Mörder geworden. Ich bin es schon, ich versteh mich schon, aber ich wäre Berufsmörder geworden. Ich habe ein Händchen dafür. Und töten entspannt einen innerlich. Aufpassen, nichts zu erkennen geben. Tun, was zu tun ist. Von Zeit zu Zeit nachdenklich wirken, sich interessieren. Daran denken, alles schlaff fallen zu lassen, Augen, Wangen, Hände.

22
    Während Marc noch zögerte, ob er den Seigneur von Puisaye vom Nachttisch holen oder an der großen Maschine von Port-Nicolas kurbeln sollte – um eine Antwort auf »Wie kann man die Erde aus dem Sonnensystem rausholen, wenn die Sonne in fünf Milliarden Jahren explodieren wird?« zu erhalten –, hatte der Bürgermeister die Tür zum Hinterzimmer des Café de la Halle geschlossen und berichtete Louis von seinem Gespräch mit Guerrec, dem Inspektor aus Quimper. Guerrec hatte den Bürgermeister mit Fragen zu Marie Lacasta ermüdet, er hatte das Einwohnerverzeichnis der Gemeinde an sich genommen und wollte Kehlweiler wegen einer Zeugenaussage sehen, und um den Knochen einzutreiben.
    »Sie sind jetzt in der Gendarmerie von Fouesnant. Danach wird er mit den Verhören anfangen.«
    »Und warum erzählen Sie mir das?« fragte Louis.
    »Guerrec hat mich darum gebeten. Er will Sie vor heute abend befragen. Ich übermittle die Nachricht.«
    »Hat er einen Plan, eine Idee?«
    »Guerrec sieht nur eine einzige Sache, die in Maries Leben in Betracht zu ziehen ist, und zwar das Verschwinden ihres Mannes Diego vor fünf Jahren.«
    »Ist der Mann gestorben?«
    »Man weiß es nicht, man hat ihn nicht wiedergesehen, weder tot noch lebendig. Sein Gewehr lag zurückgelassen am Hafen, und es fehlte ein Boot. Sicher ist, daß Marie so wenig wie möglich darüber sprach und daß sie noch immer auf ihn wartete. Sie hat nicht einen Gegenstand in seinem Arbeitszimmer angerührt.«
    »Sie hatten spät geheiratet?«
    »Sie waren beide gut und gern sechzig.«
    »Hatte er sie hier kennengelernt?«
    Der Bürgermeister machte einen kleinen, ungeduldigen Sprung. Es ist zermürbend, banale Geschichten wiederkäuen zu müssen, die alle in- und auswendig kennen. Aber Guerrec hatte ihm eingeschärft, Kehlweiler nicht zu reizen, man würde ihn vielleicht noch brauchen, er kannte den Mann vom Hörensagen, er nahm sich vor ihm in acht.
    »Natürlich hat er Marie bei Lina kennengelernt, als sie noch in Paris wohnte. Zur Zeit des ersten Ehemanns von Lina arbeitete Marie bei ihnen, sie kümmerte sich um die beiden Kinder, das ist nicht kompliziert.«
    »Wie hieß der erste Mann?«
    »Ein Physiklehrer, das wird Ihnen nichts sagen. Marcel Thomas.«
    »Und Diego kannte auch Lina?«
    »Aber nein, Himmelherrgott. Diego arbeitete mit Sevran zusammen, deshalb.«
    »Wo ist der Zusammenhang mit Lina?«
    Der Bürgermeister setzte sich und fragte sich, wie dieser Typ nur all das gemacht haben mochte, was man über ihn erzählte, wenn er nicht mal in der Lage war, die Geschichte von Diego und Marie zu kapieren.
    »Sevran«, erklärte der Bürgermeister klar und deutlich, »war ein alter Freund des Paares, vor allem von Marcel Thomas. Sie haben beide Maschinen gesammelt, und der Ingenieur fuhr nie nach Paris, ohne bei ihnen vorbeizusehen, bei ihm und seiner Sammlung. Diego arbeitete für Sevran. Also begleitete er ihn zu Lina. Also hat Diego Marie bei ihnen kennengelernt.«
    »Was hat Diego für Sevran

Weitere Kostenlose Bücher