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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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öffnete ein Fenster, um den rauchgeschwängerten Raum zu lüften. Marc bewunderte diese kleine, schmale Frau mit dem faltigen Gesicht in ihrem schwarzen Kleid.
    »Da ist die Schlafmütze«, sagte Blanchet zu Guillaume gewandt.
    Der Bürgermeister betrat das Café, es war drei Uhr. Er grüßte zerstreut und nahm Louis mit den Schritten eines ermüdeten Tänzers wortlos mit in den Hinterraum, so wie man seine Sachen im Vorübergehen einsammelt. Louis bedeutete Marc, ihm zu folgen.
    »Eine Sekunde, Chevalier, ich habe Vandoosler ein paar dringende Dinge zu sagen.«
    Marc fand Louis seltsam angespannt. Er musterte diese Verkrampfung und versuchte sie zu verstehen, aber er fand darin weder Wut noch Gereiztheit, noch Nervosität. Sie war wie eine Art Starre, die sich über sein Gesicht legte, ihm seine Schatten und Unscharfen nahm und nur noch die hervorstechenden Kurven zum Vorschein kommen ließ. Kein Charme mehr, keine Zärtlichkeit, keine Nuancen und Ungenauigkeiten. Marc fragte sich, ob das nicht das Gesicht war, das einer macht, wenn ihm heftig weh getan wird.
    »Marc, jemand muß mir etwas aus Paris bringen.«
    »Ich?«
    »Nicht du, du mußt hier für mich laufen.«
    »Etwas aus dem Bunker? Warum nicht Marthe?«
    »Nicht Marthe, sie wird im Zug auf die Nase fallen, das Ding verlieren, oder was weiß ich.«
    »Vincent?«
    »Vincent bewacht Bank 102, und er wird sie nicht aufgeben. Ich habe niemanden, der beweglich wäre. Wie heißt dein Kollege, nicht der laute, der andere?«
    »Mathias.«
    »Hat er Zeit?«
    »Im Augenblick ja.«
    »Zuverlässig, extrem zuverlässig?«
    »Der Jäger und Sammler ist verläßlich wie ein Auerochs, nur sehr viel besonnener. Aber alles hängt davon ab, ob ihn die Sache interessiert.«
    »Ich brauche ein Bündel zusammengehefteter Blätter in einer gelben Mappe mit dem Etikett M, das unter keinen Umständen verlorengehen darf.«
    »Man kann es ihm vorschlagen.«
    »Marc, je weniger man von dieser Akte versteht, desto besser geht es einem, sag ihm das.«
    »Gut. Wo findet er sie?«
    Louis zog Marc in eine Ecke des Raumes. Marc nahm die Information entgegen und nickte.
    »Geh«, sagte Louis. »Wenn Mathias kann und sobald er kann, und danke ihm. Und sag Marthe Bescheid, daß er vorbeikommt. Los, mach schnell.«
    Marc versuchte nicht zu verstehen. Zuviel Verschlossenheit, sinnlos, sich zu sträuben, besser wäre es, zu warten, bis sich das von allein legte. Er suchte eine abgelegene Telefonzelle und rief im Café in der Rue Chasle in Paris an, das ihnen als Kommunikationspunkt diente. Er wartete fünf Minuten und hatte dann seinen Onkel am Apparat.
    »Ich will Mathias sprechen«, sagte Marc. »Was machst du am Telefon?«
    »Ich erkundige mich. Erzähl.«
    Marc seufzte und erklärte ihm die Sache kurz.
    »Eine Akte M, sagst du? Im Bunker? Was hat das für einen Zusammenhang?«
    »Es hängt mit dem Mörder zusammen, was sonst? Ich glaube, Louis ist auf was gestoßen, er hat so ein merkwürdig starres Gesicht.«
    »Ich hol dir den heiligen Matthäus«, sagte Vandoosler der Ältere, »aber sieh zu, daß ihr euch nicht allzusehr in die Sache reinstürzt.«
    »Schon passiert.«
    »Laß Kehlweiler seine Hasen jagen, laß ihn allein jagen.«
    »Geht nicht«, sagte Marc, »ich diene ihm als rechtes Bein. Und wie es aussieht, haben wir nur einen Hasen.«
    Vandoosler brummte und verließ das Telefon. Zehn Minuten später hatte Marc Mathias am Apparat. Da der Jäger und Sammler schnell verstand und wenig redete, war Marc in drei Minuten fertig.

21
    Da ist also ein erbärmlicher Wicht, der seine Nase hineingesteckt hat. Wegen dieses verdammten Hundes. Und jetzt sind die Bullen da. Das hat keine Bedeutung, es ist mir egal, alles war vorgesehen für den Fall, daß die Situation sich verwickelt. Nicht so dumm sein. Der kleine mürrische Guerrec wird sich dahin bewegen, wohin man ihm sagt. Sieht aus wie einer, der nur nach seinem Kopf vorgeht. Aber er ist wie alle, er wirkt nur so. Mit einem kleinen Schubs wird er sich dahin bewegen, wo man ihn haben will, wie eine Ameise. Der Mürrische wird keine Ausnahme machen. Es wird viel Blödsinn über die Intelligenz der Ameise erzählt. Aber sie ist nur eine stumpfsinnige Sklavin, nichts weiter. Es reicht, den Finger auf ihren Weg zu setzen, und schon dreht sie um. Und so weiter, bis sich das Licht ändert. Das Ergebnis ist unfehlbar. Sie weiß nicht mehr, wo ihr Zuhause ist, sie ist verloren, sie stirbt. Ich habe es x-mal gemacht. Guerrec ist genauso. Man

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