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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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dunklen Paares in der Vauban-Hütte, das starre Gesicht Kehlweilers, seitdem er jene Akte M angefordert hatte, die alten Überreste einer gekränkten Liebe, die besessene Intelligenz von Darnas im Leib eines Rohlings mit seltsam zarten Fingern, als Mathias ihn plötzlich unterbrach.
    »Halt die Klappe«, sagte er und packte den Fahrradrahmen, um Marcs Schritte zu stoppen.
    Mathias war im Dunkeln unbeweglich stehengeblieben. Marc widersprach nicht. Er hörte nichts im Wind, sah nichts, spürte nichts, aber er kannte Mathias gut genug, um zu wissen, daß er etwas gewittert hatte. Mathias hatte eine eigene Art, sich seiner fünf Sinne zu bedienen wie Meßfühler, Testgeräte, Decoder und Gott weiß was noch. Marc hätte Mathias liebend gern als Ersatz für verschiedene Erfindungen wie Schallwellendetektoren, Pollenfallen, Infrarotleser und andere komplexe Dinge verkauft, als die Mathias perfekt gedient hätte, ohne daß man auch nur einen Sou dafür ausgeben mußte.
    Er war der Ansicht, der Jäger und Sammler könne, das Ohr in den Wüstensand gepreßt, den Paris-Straßburg-Express vorüberfahren hören, auch wenn man nicht recht wußte, wozu das gut sein sollte.
    Mathias ließ den Fahrradrahmen los.
    »Lauf!« rief er Marc zu.
    Marc sah, wie sich Mathias vor ihm in die Nacht stürzte, ohne daß er verstanden hätte, wem er hinterherrennen sollte. Die tierischen Fähigkeiten – die primitiven Fähigkeiten, sagte Lucien – von Mathias verwirrten ihn und zerstörten seine Reden. Er legte das Fahrrad auf die Erde und rannte dem verdammten Prähistoriker hinterher, der wortlos und schneller als er rannte, ohne sich um die nahe Felskante zu kümmern. Zweihundert Meter weiter hatte er ihn eingeholt.
    »Da unten«, sagte Mathias und deutete auf den Strand. »Geh runter und kümmer dich um ihn, ich durchsuch die Umgebung, da ist jemand.«
    Mathias rannte sofort wieder los, und Marc sah zum Uferstreifen hinunter. Unten war eine dunkle Gestalt zu erkennen, jemand, der sich erheblich verletzt haben mußte, ein Sturz von sechs bis sieben Metern. Während er sich beim Hinuntersteigen an die Felsen klammerte, dämmerte ihm, daß jemand diesen Menschen vom Pfad hinabgestürzt hatte. Er erreichte den Boden und lief zu der Gestalt hin. Mit angespanntem Gesicht tastete er vorsichtig, spürte das Handgelenk, suchte nach dem Puls. Er war zu spüren, wenn auch schwach, aber der Typ rührte sich nicht, stöhnte nicht einmal. Marc dagegen pochte das Blut in den Schläfen. Wenn jemand diesen Menschen hinuntergestürzt hatte, so mußte das vor einer Minute geschehen sein, mit ein paar kurzen Bewegungen, die Mathias wahrgenommen hatte.
    Mathias’ Losrennen mußte den Mörder daran gehindert haben, seine Arbeit zu beenden, und jetzt war Mathias hinter ihm her. Marc gab nicht mehr viel auf ihn. Ob er sich versteckte oder ob er abhaute, er hatte kaum Chancen, der Verfolgung durch den Jäger und Sammler zu entgehen, und Marc machte sich um Mathias nicht die geringsten Sorgen, ein irrationales Gefühl von Sicherheit, denn Mathias war ebenso verwundbar wie jeder andere und hatte nicht schon dreißigtausend Jahre auf dem Buckel, entgegen allem, was man erhoffen mochte. Marc wagte nicht, den Kopf des auf dem Boden liegenden Menschen zu bewegen, sicher ist sicher, die Halswirbel. Er wußte gerade genug darüber, um zu wissen, daß er nichts tun durfte. Aber er schaffte es, ihm die Haare aus dem Gesicht zu schieben und sein Feuerzeug zu finden. Er mußte es mehrfach anmachen, bevor er den erkannte, den Darnas als einen entschiedenen Träumer beschrieben hatte: den siebzehnjährigen Jungen, der vorhin im Café mit dem weißhäutigen Pseudopfarrer an einem Tisch gesessen hatte. Seinen Namen wußte er nicht mehr genau, Gaèl, ja, vielleicht. Als er die Haare berührte, spürte Marc Blut, und mit verkrampftem Magen hielt er seine Hand weit von sich gestreckt. Er hätte sie gern im Meer abgewaschen, aber er wagte es nicht, den jungen Mann zu verlassen.
    Vom Weg oben rief Mathias leise nach ihm. Marc kletterte die sieben Meter hohen, steilen Felsen hinauf, schwang sich über die Felskante und wischte sich sofort die Hände im nassen Gras ab.
    »Das muß Gaèl sein«, keuchte er. »Er lebt noch. Bleib da, ich renne und hol Hilfe.«
    Erst in diesem Augenblick sah er, daß Mathias schweigend jemanden in der Dunkelheit festhielt.
    »Weißt du, wer das ist?« fragte Mathias nur.
    Unnötig, sein Feuerzeug anzumachen. Mathias hielt mit beiden Armen Lina

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