Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
erwartete, daß jemand es ihm abnähme.
»Gern, Joe.« Tanner nahm sein Glas. »Gin und Tonic?«
»Das hatte ich bisher.«
»Und viel zu viel davon«, fügte seine Frau hinzu.
Tanner ging in die Küche und begann Cardones Drink zu machen. Ginny stand am Ofen.
»Ich mach’ noch mal frischen; die Kerze ist ausgegangen.«
»Danke.«
»Ich hab’ immer das gleiche Problem. Die verdammten Kerzen gehen aus, und dann ist der Kaffee kalt.«
Tanner lachte leise und öffnete die Tonicflasche. Dann bemerkte er, daß Ginny etwas gesagt hatte, etwas sehr Unwichtiges eigentlich. »Ich habe Ali gesagt, sie sollte sich eine
elektrische Kaffeemaschine besorgen, aber das will sie nicht.«
»John?«
»Ja?«
»Es ist so schön draußen. Warum gehen wir nicht in den Pool?«
»Aber sicher. Gute Idee. Ich werde das Filter rückspülen. Ich bring’ das nur zuerst Joe.« « Tanner ging ins Wohnzimmer zurück und hörte dort die ersten Takte von >Tangerine<. Ali hatte eine Langspielplatte mit dem Titel >Schlager von Gestern< aufgelegt.
Die Reaktion darauf war ganz normal. Einige lachten, als sie das Stück erkannten.
»Bitte sehr, Joe. Möchte sonst noch jemand etwas?«
Ein Chor von »nein, danke« antwortete ihm. Betty war aufgestanden und stand Dick Tremayne am Kamin gegenüber. Tanner fand, daß sie aussahen, als ob sie sich gestritten hätten. Ali stand an der Stereoanlage und zeigte Bernie die Rückseite des Plattenalbums; Leila Osterman saß Cardone gegenüber und sah ihm zu, wie er seinen Gin und Tonic trank, und war offenbar verstimmt, daß er so schnell trank.
»Ginny und ich spülen schnell die Filteranlage zurück. Wir gehen schwimmen, ja? Ihr habt sicher alle euere Badeanzüge hier; wenn nicht, dann liegen in der Garage mindestens ein Dutzend herum.«
Dick sah Tanner an. Ein seltsamer Blick, fand er. »Bring Ginny nicht zuviel von dem verdammten Filter bei. Ich laß mich nicht rumkriegen. Kein Pool!«
»Warum nicht?« fragte Cardone.
»Wegen der vielen Kinder.«
»Bau doch einen Zaun«, sagte Joe etwas verstimmt.
Tanner ging zur Küchentür hinaus. Er hörte ein plötzliches
Lachen hinter sich, aber das war nicht das Lachen von Leuten, die Spaß hatten. Es war gezwungen, irgendwie unfreundlich.
Hatte Fassett recht? Zeigte Omega schon die ersten Spuren? Drängten die Feindseligkeiten langsam an die Oberfläche?
Draußen ging er an den Beckenrand, zu der Filteranlage. »Ginny?«
»Ich bin hier drüben, bei Alis Tomatenpflanzen. Da ist eine Stange umgefallen, und ich kann das Band nicht wieder binden. «
»Okay.« Er drehte sich um und ging zu ihr hinüber. »Welche denn? Ich sehe nichts.«
»Hier«, sagte Ginny und deutete.
Tanner kniete nieder und sah die Stange jetzt. Sie war nicht umgefallen, sie war abgebrochen worden. »Eines der Kinder muß hier durchgerannt sein.« Er zog das dünne Stöckchen heraus und legte die Tomatenpflanze vorsichtig auf den Boden. »Das richte ich morgen.«
Er stand auf. Ginny stand ganz nahe bei ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. Er erkannte, daß man sie vom Haus aus nicht sehen konnte.
»Ich habe sie abgebrochen«, sagte Ginny.
»Warum?«
»Ich wollte mit dir reden. Alleine.«
Sie hatte ein paar Knöpfe ihrer Bluse geöffnet. Er konnte den Ansatz ihrer Brüste sehen. Tanner fragte sich, ob Ginny wohl betrunken sein mochte. Aber Ginny betrank sich nie, und wenn sie es tat, merkte das niemand.
»Worüber möchtest du denn reden?«
»Dick, zunächst einmal. Ich möchte mich für ihn entschuldigen. Er kann unangenehm werden – richtig brutal, wenn er sich ärgert.«
»War er unangenehm? Verärgert? Mir ist nichts aufgefallen. «
»Natürlich ist es dir aufgefallen. Ich habe dich beobachtet. «
»Da hast du dich geirrt.«
»Das glaube ich nicht.«
»Kümmern wir uns jetzt um den Pool.«
»Augenblick.« Ginny lachte leise. »Ich mache dir doch nicht etwa Angst, oder?«
»Meine Freunde machen mir nicht Angst«, sagte Tanner und lächelte.
»Wir wissen eine ganze Menge voneinander.«
Tanner beobachtete Ginnys Gesicht aus der Nähe, ihre Augen, die leicht zusammengekniffenen Lippen. Er fragte sich, ob dies der Augenblick sein würde, in dem ihm das Unglaubliche eröffnet werden würde. Wenn ja, würde er ihr dabei helfen. »Ich denke, wir glauben immer, daß wir unsere Freunde kennen. Manchmal frage ich mich, ob das wirklich so ist.«
»Ich fühle mich von dir sehr angezogen – körperlich angezogen. Hast du das gewußt?«
»Nein, das habe ich nicht
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