Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
sehr großzügig, aber wir brauchen keine Hilfe.«
»Hat John das gesagt?«
»Das würde er sagen.«
»Dann hast du nicht mit ihm gesprochen?«
»Nein.«
Cardone griff nach ihrer Hand. Sie versuchte instinktiv, sie ihm wegzuziehen, aber er hielt sie fest, ohne eine Spur von Feindseligkeit, da war nur Wärme; aber er ließ sie nicht los. »Mag sein, daß ich ein wenig geladen habe, aber ich möchte, daß du mich ernst nimmst. Ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt; es war überhaupt nicht schwierig, wirklich nicht. Offengestanden, ich fühle mich ein wenig schuldig, verstehst du, wie ich das meine? Ich bewundere Johnny. Ich halte eine ganze Menge von ihm, weil er etwas leistet. Ich leiste nicht viel; ich nehme nur. Ich tue niemandem weh, aber ich nehme ... Es würde mir sehr gut tun, wenn ihr mich geben ließet. Das wäre einmal etwas anderes.«
Er ließ ihre Hand los, und weil sie das nicht erwartet hatte, fiel ihr Arm herunter und stieß gegen ihre Hüfte. Einen Augenblick lang war ihr das peinlich. Sie war verwirrt. »Warum bist du so fest entschlossen, uns etwas zu geben. Was hat dich darauf gebracht?«
Cardone ließ sich schwer auf die Armlehne der Couch sinken. »Man hört alles Mögliche. Gerüchte, Klatsch vielleicht.«
»Über uns? Über uns und Geld?«
»So ähnlich.«
»Nun, es stimmt nicht. Es stimmt einfach nicht.«
»Dann laß es mich anders ausdrücken. Vor drei Jahren, als Dick und Ginny und Bernie und Leila mit uns in Gstaad Skilaufen waren, wolltet ihr nicht mitkommen. Das stimmt doch?«
Alice blinzelte und versuchte, Joes Logik zu folgen.
»Ja, ich erinnere mich. Wir wollten lieber mit den Kindern nach Nassau fahren.«
»Aber jetzt interessiert John sich doch sehr für die Schweiz, stimmt das nicht?« Joe schwankte leicht.
»Nicht, daß ich wüßte. Er hat mir nichts davon erzählt.«
»Dann ist es vielleicht Italien, wenn es nicht die Schweiz ist. Vielleicht interessiert er sich für Sizilien; das ist ein sehr interessanter Ort.«
»Ich verstehe dich einfach nicht.«
Cardone erhob sich von der Armlehne der Couch und stützte sich an der Wand ab. »Du und ich, wir beide unterscheiden uns gar nicht so sehr, wie? Ich meine, das was wir haben, hat man uns nicht gerade auf einem silbernen Tablett überreicht, oder? Wir haben uns das alles auf unsere eigene, verdammte Art verdienen müssen...«
»Ich finde, du wirst beleidigend.«
»Tut mir leid, ich will dich nicht beleidigen. Ich will nur ehrlich sein, und Ehrlichkeit fängt damit an, klar zu erkennen, wo man steht. Wo man einmal war.«
»Du bist betrunken.«
»Ganz bestimmt bin ich das. Ich bin betrunken und ich bin nervös. Eine lausige Kombination. Rede doch mal mit John. Sag ihm, er soll mich morgen oder übermorgen einmal besuchen. Sag ihm, er soll sich keine Sorgen wegen der Schweiz oder wegen Italien machen, okay? Sah ihm, ganz gleich, was passiert, ich bin sauber, und ich mag Leute, die ihren Beitrag
leisten und anderen Leuten nicht weh tun. Sag ihm, daß ich bezahlen werde.«
Cardone trat zwei Schritte auf Ali zu und griff nach ihrer linken Hand. Er hob sie mit sanftem Nachdruck an die Lippen, schloß die Augen und küßte ihre Handfläche. Ali hatte diese Art von Kuß früher schon einmal gesehen; in ihrer Kindheit hatte sie gesehen, wie die fanatischen Anhänger ihres Vaters dasselbe taten. Dann wandte Joe sich ab und torkelte in den Korridor.
Am Fenster fiel Ali ein leichter Lichtreflex, vielleicht auch nur ein Wechsel in der Helligkeit auf. Sie drehte den Kopf. Was sie sah, ließ sie erstarren. Draußen auf dem Rasen, höchstens sechs Fuß vom Fenster entfernt, stand Betty Cardone in einem weißen Badeanzug, in das blau-grüne Licht des Swimmingpools gehüllt.
Betty hatte gesehen, was sich zwischen Alice und ihrem Mann zugetragen hatte. Das verrieten ihre Augen Ali.
Joes Frau starrte durch das Fenster, und ihr Blick war grausam.
Die vollen Töne des jungen Sinatra erfüllten die warme Sommernacht, während die vier Ehepaare um den Pool saßen. Einer nach dem anderen – aber jeder einzeln, John Tanner hatte das Gefühl, daß sie das nie zu zweien taten – ließen sie sich ins Wasser fallen und paddelten träge hin und her.
Die Frauen redeten von der Schule und den Kindern, während die Männer am gegenüberliegenden Poolrand etwas weniger leise von der Börse, von Politik und der unergründlichen Wirtschaft redeten.
Tanner saß am Sockel des Sprungbretts, in der Nähe von Joe. Er hatte ihn noch nie
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