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Das Paket mit dem Totenkopf

Das Paket mit dem Totenkopf

Titel: Das Paket mit dem Totenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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um die Hausecke heulte,
zerrte an ihm. Aber er schaffte es.
    inzwischen hatte Tarzan das
Fenster zugezogen. Damit es hielt, klemmte er ein Stück Pappe in den Rahmen.
Sekunden später stand er neben Klößchen im Schnee.
    Die Nacht war eisig. Klößchen
bibberte bereits, stampfte mit den Füßen und patschte die Hände gegeneinander.
    Alle Fenster waren dunkel. In
dieser ungemütlichen Nacht ging jedermann früh zu Bett. Die weichen
Schneeflocken, die vorhin aus den Wolken herabgeschwebt waren, hatten sich in
hagelfeine Eiskörner verwandelt. Es tat weh, wenn sie ins Gesicht trafen.
    Durch den festgestampften
Schnee liefen die Jungen zum Tor. Trotz Eis und Glätte hätten sie jetzt ihre
Fahrräder gebrauchen können. Aber jeden Abend schloß der Hausmeister den
Fahrradkeller ab. Wohl oder übel — die beiden mußten laufen.

    Gegen Wind und Eishagel
gestemmt, trabten sie mit gesenkten Köpfen. Tarzan hätte doppelt so schnell
gekonnt, aber Klößchen prustete und schnappte nach Luft. Unter ihren Sohlen
knirschte der Schnee. Die Felder rechts und links der langen Straße, die Schule
und Stadt verband, schimmerten trostlos und fahl durch die Nacht. Alles war
weiß. Bei Tag hockten Schwärme von Krähen darauf — in ihrem Totengräbergewand.
    „Ich glaube“, keuchte Klößchen,
„ich muß wirklich abnehmen. Ich bin schon ganz schlapp.“
    „Sag’ ich’s doch.“ Tarzan
verringerte das Tempo, und Willi konnte wieder mithalten.
    Sie erreichten die ersten
Häuser. Eine Viertelstunde später waren sie in der Innenstadt. Karl wartete vor
dem Filmpalast. Die Schaukästen waren noch erleuchtet. Eine Spätvorstellung
lief. Karl hopste auf der Stelle, und der Atem stand ihm als Wolke vor dem
Mund. Er hatte sein Nachtglas mitgebracht, einen wertvollen Feldstecher. Er ist
so konstruiert, daß die Gläser Dunkelheit aufhellen. Zwar nicht taghell, aber
immerhin soviel, daß man auch in rabenschwarzer Nacht das meiste erkennt.
    „Wenn wir uns beeilen“, meinte
Karl, „schaffen wir noch den Bus bis Kirchhausen. Dann sind wir nahe am
Westfriedhof.“
    Der Bus fuhr hinter dem Kino
ab, war fast leer, schaukelte mächtig und roch nach feuchten Mänteln. Auf dem
Boden standen kleine Lachen von getautem Schnee. Der Fahrer rauchte beim Fahren
und sah ziemlich müde aus. Sicherlich war er froh, wenn er bald nach Hause und
ins Bett kam.
    Im Stadtteil Kirchhausen
stiegen sie aus. Eine nahe Turmuhr schlug halb zwölf. Der Bus wendete in einer
eigens dafür angebrachten Kehre und fuhr in Richtung Depot.
    Die drei Freunde stiefelten
eine lange Straße hinunter. Auf beiden Seiten lagen kleine Grundstücke mit
Einfamilienhäusern. Kirchhausen war ein Wohnviertel ohne größere Geschäfte und
öffentliche Gebäude. Nur hinter wenigen Fenstern brannte Licht.
    Der Westfriedhof begrenzte die
Stadt. Dahinter war nichts mehr — abgesehen von Feldern und Bauerngehöften in
weiter Ferne. Je weiter die drei gingen, um so einsamer wurde es. Die letzten
Häuser blieben zurück. Gärten flankierten nun die Straße. In einigen standen
Obstbäume und Büsche. Andere verwilderten. Jetzt war alles kahl. Schwarz und
feucht reckten Stämme und Äste sich in die Nacht.
    „Ein Glück“, flüsterte Klößchen
— und meinte Tarzan, „daß du dich mit den Gespenstern so gut stehst.“
    „Was ist?“ fragte Karl.
    „Er duzt sich mit allem, was da
um Mitternacht auf dem Friedhof kreucht“, sagte Klößchen. Dann lachte er. Aber
es klang so hohl, als käme es aus einem Sarg.
    „Ach, du meine Güte!“ sagte
Karl. „Ich dachte, wir hätten es mit Rauschgiftdealern und einem Erpresser zu
tun. Wenn auch Gespenster mitspielen, mache ich mir gleich in die Hose.“
    Dunkel ragte eine Baumgruppe
vor ihnen auf. Das war bereits der Friedhof. Er war groß und hatte sich in den
letzten Jahren zu den Feldern hin ausgedehnt. Umfriedet wurde er von einem
schmiedeeisernen Zaun. Der war zwar mit altmodischen Spitzen versehen, aber das
Hinüberklettern bereitete keine Schwierigkeiten, nicht mal für Klößchen.
    Dann standen sie auf einem der
asphaltierten Wege. Tief hingen die Schneewolken über dem Land. Weder Mond noch
Sterne waren zu sehen — nicht mal zu ahnen. Dennoch — eine Winternacht ist nie
so ganz dunkel. Mag der Schnee auch schmutzig sein, er strahlt doch etwas
Helligkeit aus. Es reichte jedenfalls, um die Gräber schemenhaft zu erkennen.
Wie schwarze Gestalten standen Lebensbäume und immergrüne Sträucher zwischen
den Grabsteinen. Der Wind heulte,

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