Das Paradies am Fluss
ihm von Jess erzählt hat; dass sie den Preis gewonnen hatte und sie Juliets und Mikes Enkelin war. Seitdem hat Rowena sich ganz eigenartig verhalten. Sie war mit den Gedanken immer woanders, hat geheimnisvoll getan und all diese Fotos zusammengesucht.«
»Fotos?«
»Ja. Sie hatte Berge davon. Manche natürlich von ganz früher. Johnnie arbeitet sie in sein Buch ein. Aber diese, die sie heraussuchte, zeigten hauptsächlich die Jungs, als sie jung und an der Marineakademie waren. Aufnahmen von Partys im Seegarten und so etwas.«
»Was für Jungs?«
»Na ja, Al und Mike, Johnnie und Fred und noch ein paar andere. Keine Ahnung, damals war ich noch nicht hier. Hat nicht dein Vater auch dazugehört?«
»Ja«, antwortet Oliver.
»Jedenfalls waren es Stapel solcher Fotos, und ein ganz großartiges von Juliet und Mike bei ihrer Hochzeit. Ich muss sagen, dass Jess ganz außerordentliche Ähnlichkeit mit Juliet hat. Jess schlug Rowena sofort in ihren Bann, schon bei ihrer ersten Begegnung. Das war alles sehr eigenartig.«
»Wieso?«
»Also …« Sophie runzelt die Stirn und versucht, ihr Unbehagen in Worte zu fassen. »Okay, Mike und Al waren eng befreundet, aber Al ist gestorben, und Mike und Juliet sind vor weit über vierzig Jahren nach Australien ausgewandert. Seitdem war der Kontakt abgebrochen. Warum dann jetzt die Aufregung um ihre Enkelin? Ich meine, es ist nett, sie kennenzulernen und eine Art großes Wiedersehen zu feiern, das verstehe ich schon. Aber Rowena hat sich so in das Ganze hineingesteigert. Und dann, als sie Jess die Bilder gezeigt hat, bekam sie einen ganz schlimmen Herzanfall.«
»Du meinst, ihr Anfall hatte etwas mit den Fotos zu tun?«
»Ja, das vermute ich. Sie hatte sie alle auf dem Tisch im Morgensalon ausgelegt und diese große Sitzung mit Jess geplant. Sie hat sie immer wieder aufgeschoben, bis die beiden allein sein konnten. Und, wie ich schon sagte, war da diese Stimmung von unterdrückter Aufregung. Ich habe Johnnie darauf angesprochen, weil ich mir Sorgen um Rowena gemacht habe und das Gefühl hatte, dass diese Anspannung nicht gut für sie war.«
»Und was hat er gesagt?«
Sophie zuckt mit den Schultern. »Ach, er meinte nur, dass Rowena die Gelegenheit genießt, von Al zu sprechen. Sie hat ihren Ältesten geradezu in den Himmel gehoben, ziemlich ödipal. Johnnie hatte dagegen nichts zu melden. Er macht sich nichts daraus, doch seiner Meinung nach ging es nur darum, um nichts weiter.«
»Aber du hast das nicht geglaubt?«
»Nicht ganz. Ich dachte, es hätte vielleicht mehr damit zu tun, dass Al bei einem Segelausflug ertrunken ist, und ich habe mich gefragt, ob da der Hase im Pfeffer liegt, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Was denn?«
»Das klingt jetzt ein wenig weit hergeholt, doch sieh es mal so: Al und Mike sind Busenfreunde und beide hinter Juliet her, aber Mike bekommt sie. Angenommen, dahinter hat mehr gesteckt, und sie haben sich auf dem Segelausflug gestritten. Und dann ist Al über Bord gegangen.«
Oliver zieht die Augenbrauen hoch. »Du meine Güte!«
»Na ja, das hört sich sehr dramatisch an«, räumt Sophie abwehrend ein. »Doch ich weiß einfach, dass da etwas war.«
»Aber wenn Rowena den Verdacht hatte, Mike könnte ihren Sohn umgebracht haben, warum sollte sie dann so darauf brennen, Jess kennenzulernen?«
»Ich kann mir gar keinen Grund dafür vorstellen, warum Rowena Jess unbedingt treffen wollte. Und dann hat sie sie auch gleich hierher eingeladen«, erklärt Sophie offen. »Das ist ja das Problem. Jess ist ein liebes Mädchen, und ich mag sie gern. Trotzdem ist es ein wenig komisch. Und jetzt ist Rowena tot.«
Schweigen.
»Du möchtest also nicht, dass Jess wiederkommt?«, fragt Oliver.
»Herrje, doch, natürlich möchte ich das!«, gibt Sophie zurück. »Ehrlich, ich mag sie wirklich gern. Und sie tut mir schrecklich leid. Sie war so begeistert darüber, hier zu sein, wo sich ihre Großeltern so gern aufhielten; und dann hatte Rowena diesen Anfall, und die arme Jess war ganz bestürzt. Und sie war auch noch bei Rowenas Tod dabei.«
»Ja. Eigentlich hat es mich überrascht, dass Jess so gern zurückkommen wollte.«
»Mich ebenfalls. Aber ich freue mich auch. Vielleicht lüften wir das Geheimnis ja noch.«
»Du glaubst wirklich, dass es ein Geheimnis gibt?«
»Ja«, erklärt Sophie bestimmt. »Ganz bestimmt. Ich dachte, vielleicht hätte sie dir etwas erzählt.«
»Ich weiß weniger als nichts über die ganze Sache«, sagt Oliver und denkt
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