Das Paradies am Fluss
Juliet gehalten. ›Das Kind ist von Al, nicht wahr?‹, hat sie gefragt, und ich habe nur genickt und den Kopf auf ihr Handgelenk gelegt, damit sie mein Gesicht nicht sehen konnte, und dann ist sie gestorben.«
Schnell tritt Johnnie um den Tisch herum und zieht sie in die Arme. Er drückt die Wange an ihren Kopf, und sie schmiegt sich weinend an ihn.
»Arme Jess!«, murmelt er. »Arme kleine Jess!«
»Ich musste doch etwas sagen«, schluchzt sie. »Sie sind alle so nett zu mir gewesen. Es tut mir leid.«
Er umarmt sie fester. »Ihnen braucht nichts leidzutun«, erklärt er. »Lassen Sie mir ein ganz klein wenig Zeit, um etwas zu regeln, Jess? Ich verspreche Ihnen, dass alles gut wird.«
Sie nickt, fasst seine Hand und wischt sich mit der anderen die Wangen ab. Plötzlich beginnt Popps zu kläffen, springt aus ihrem Korb und rennt zur Tür. Johnnie richtet sich auf.
»Verdammt!«, sagt er. »Das werden Oliver und Sophie sein. Geht es Ihnen gut?«
»Ja.« Jess steckt die Fotos in ihre Tasche und steht von ihrem Stuhl auf. »Ich gehe mich nur frisch machen«, erklärt sie und verschwindet in Richtung Gästetoilette.
Johnnie beschäftigt sich wieder mit dem Tee und nimmt ein paar Tassen von der Anrichte. Sophie und Oliver kommen mit Tüten beladen herein.
»Die Wettervorhersage ist nicht gut«, berichtet Sophie fröhlich. »Vielleicht werden wir ja eingeschneit. Gott sei Dank ist Jess sicher angekommen!«
»Gerade eben«, antwortet Johnnie. »Ich brühe Tee auf.«
»Es ist eiskalt«, sagt Oliver. »Und ich habe nur meine dünnen Sachen aus London.«
»Wir haben genug Pullover übrig«, erwidert Sophie. »Oh, hi, Jess! Wie geht es Ihnen?«
»Gut.« Jess umarmt zuerst sie und dann Oliver. »Es ist großartig, wieder hier zu sein. Ich bin fest entschlossen, einiges an Arbeit zu schaffen.«
»Bei diesem Wetter?« Sophie erschauert. »Um diese Jahreszeit werden Sie aber nicht viele Blumen finden. Hören Sie, sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie im Segelloft bleiben wollen? Wir haben genug freie Zimmer.«
Jess wirft Johnnie einen schnellen, nervösen Blick zu. »Ja, wirklich«, beginnt sie. »Ich bin gern da draußen.«
»Sie wird sich dort wohlfühlen«, pflichtet Johnnie ihr bei. »Jedenfalls, wenn ihr ihr vierundzwanzig Stunden Zeit gebt. Dann werdet ihr schon sehen, wie sie zurechtkommt.«
»Nun gut«, meint Sophie. »Aber ich bin es nicht schuld, wenn Sie eingeschneit werden.«
Jess und Johnnie wechseln noch einen Blick. »Nein, natürlich nicht«, sagt sie. »Danke.«
Nach dem Abendessen sehen sie fern und unterhalten sich über die neue Geschäftsidee. Oliver und Johnnie setzen eine E-Mail an Guy mit neuen Ideen und Vorschlägen auf.
»Denken Sie bitte daran«, meint Oliver warnend. »Guy soll noch nicht wissen, wie weit ich schon mit drinstecke. Er soll so begierig und aufgeregt sein, dass es ihm egal ist, woher das Geld kommt.«
»Ich hätte gedacht, in diesem Stadium wäre er schon lange«, merkt Sophie an.
»Wir müssen ihm seinen Stolz lassen«, sagt Oliver.
Johnnie geht in den »Schmollwinkel«, um die Mail abzuschicken und einige Anrufe zu tätigen. Später kommt er wieder, um Jess eine gute Nacht zu wünschen.
Er gibt ihr einen Kuss. »Morgen, nach dem Frühstück«, flüstert er ihr dabei ins Ohr. Sie nickt lächelnd.
Oliver und Sophie bringen Jess mit Popps zur alten Segelwerkstatt und überzeugen sich davon, dass es warm darin ist und Jess alles hat, was sie braucht. Sophie zieht die Vorhänge in dem großen Raum zu, damit er nicht auskühlt, aber sobald die beiden fort sind, öffnet Jess sie wieder. Der Mondschein taucht das Segelloft in kaltes weißes Licht und zerfällt auf dem schwarzen Wasser in einzelne Reflexe. Einen Moment lang steht sie da und sieht in die magische Nacht hinaus; dann läuft sie rasch die kleine Treppe hinauf, in ihr warmes, behagliches Schlafzimmer.
Jess wacht mit dem seltsamen, aber inzwischen vertrauten Gefühl auf, dass sich noch andere Menschen bei ihr in der Segelwerkstatt befinden. Sie zieht sich die lange Wolljacke und dicke Socken über den Schlafanzug, tritt auf die Galerie hinaus und geht über die Treppe in den großen Raum hinunter. Und die ganze Zeit über ist sie sich einer Präsenz bewusst: Da ist der Widerhall leichter Schritte auf den glänzenden Bodendielen, gedämpftes Lachen, das plötzlich abbricht. Sie wendet den Kopf und horcht, aber sie hat keine Angst. Während sie ihren Tee zubereitet und ihn mit zur Balkontür nimmt, fühlt sie
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