Das Paradies am Fluss
Sie fährt durch Tavistock hindurch und auf den Parkplatz des Bedford Hotel . Sie leint Flossie an, und zusammen gehen sie die Vordertreppe hinauf und in die Bar.
Sie sieht sich in der vertrauten Umgebung um und betrachtet die Menschen, die Kaffee trinken und Zeitung lesen. Da, in der Fensterecke, entdeckt sie Johnnie Trehearne, der ihr bereits zuwinkt und aufsteht. Kate wird mulmig zumute, als sie sieht, dass seine Mutter mit dem Rücken zum Fenster sitzt. Mürrisch und argwöhnisch schaut sie zu, wie die beiden sich umarmen. Johnnie dagegen setzt sich mit seiner natürlichen Wärme und Freundlichkeit über ihre alten Vorurteile hinweg.
»Du erinnerst dich an Kate, Mutter«, sagt er bestimmt – eine Anweisung und keine Frage –, und Kate kämpft gegen die instinktive Reaktion an, sich zu verhalten wie die junge Frau eines Marineoffiziers, und lächelt der gebieterischen älteren Dame zu, die den Kopf neigt. Der winzige Terrier, der auf ihrem Schoß fast nicht zu erkennen ist, kläfft durchdringend und warnend, und Kate fährt ein wenig zurück und fasst Flossies Leine fester.
»Sei still, Popps!«, sagt Johnnie freundlich zu dem Terrier. »Hab dich hier schon länger nicht gesehen, Kate. Kann ich dir einen Kaffee holen?«
»Danke«, sagt sie, setzt sich und zieht Flossie dicht an ihren Stuhl heran. »Das ist wirklich seltsam. Ich bin bei Cass und Tom untergekommen, und wir haben von dir gesprochen. Also, nicht nur von dir, aber an die Vergangenheit gedacht.«
»Gefährlich«, meint er fröhlich und hält auf seinem Weg zur Theke inne, um Flossie zu streicheln.
Kate wendet sich Lady T. zu und versucht, sich ein Gesprächsthema einfallen zu lassen, das vierzig Jahre Eis auftauen könnte. Die alte Dame muss über neunzig sein, aber ihre Augen sind noch hell und scharf, und Kate sinkt der Mut: keine Chance, dass sie das Vergangene vielleicht vergessen hat.
»Ich habe ein Cottage in der Chapel Street gekauft«, beginnt Kate – daran ist bestimmt nichts auszusetzen –, »und bringe nächste Woche ein paar Möbel dorthin. Seit dem Tod meines Mannes habe ich unten an der Nordküste von Cornwall gelebt.«
»Tod? Ich dachte, Sie wären geschieden.«
Kate lacht beinahe. Lady T. nimmt immer noch kein Blatt vor den Mund. »Mein zweiter Mann«, erklärt sie. »David Porteous. Er war Maler und Mitglied der Königlichen Kunstakademie. Die Enkelin alter Freunde von mir hat gerade den nach ihm benannten Preis gewonnen. Ich glaube, Sie kennen sie ebenfalls.«
Johnnie ist zurück, und sie wendet sich an ihn. »Erinnerst du dich an die Penhaligons? Juliet und Mike? Ich habe ihre Enkelin Jess kennengelernt. Sie kommt mich für eine Weile besuchen.«
Ein eigentümliches Schweigen tritt ein, dann setzt sich Johnnie wieder und beugt sich vor, um Flossie zu streicheln.
»Sie sind nach Australien gegangen, stimmt’s?«, fragt er. »Er ist in die australische Marine übergetreten. Wir erinnern uns an Mike Penhaligon, oder, Mutter?«
»Ich erinnere mich sehr gut an ihn.« Ihre dünne Stimme klingt kühl.
»Jess freut sich sehr darauf, Freunde von Mike und Juliet zu treffen, Johnnie. Tom dachte, es wäre nett, wenn sie dich auch kennenlernt.«
»Du musst mit ihr zu uns kommen«, sagt Johnnie. »Wie war noch ihr Name? Jess? Wie erstaunlich! Ich glaube, Juliet und Mike haben sich auf einer Party bei uns kennengelernt. Was für ein Spaß!«
Doch seiner Stimme fehlt die gewohnte Wärme, und als Kate seine Mutter anschaut, sieht sie, dass die ältere Frau eine seltsam düstere, distanzierte Miene aufgesetzt hat. Durch die Wände der Bar hindurch scheint Lady T. eine Szene zu betrachten, an die nur sie sich erinnert, und Stimmen aus einer anderen Zeit zu hören.
Kate fällt plötzlich ein, dass ihr Sohn Al noch ganz jung bei einem tragischen Segelunglück gestorben ist, und eine bange Vorahnung steigt in ihr auf. »Ich möchte euch aber nicht lästig fallen«, versetzt sie rasch. »Und ich habe noch gar keine Ahnung, wie lange Jess bleiben kann …«
»Natürlich müssen Sie beide einmal zum Lunch kommen«, erklärt die alte Lady T. »Johnnie wird sich darum kümmern. Kate zieht in die Chapel Street, Johnnie. Schreib dir ihre Telefonnummer auf. Ich habe hier irgendwo einen Stift.«
Sie wühlt in ihrer riesigen Handtasche, und der Kaffee wird serviert. Kate kann ihr Erstaunen über diese positive Reaktion ihrer alten Feindin verbergen. Sie unterhalten sich über Jess, und Kate erzählt noch einmal die Geschichte des Mädchens
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