Das Paradies am Fluss
brauchen.«
Rowena schüttelt den Kopf. »Wir haben im Bedford Hotel Kaffee getrunken«, sagt sie. Es scheint, als wollte sie noch etwas erzählen, etwas, das sie in Aufregung stürzt, doch sie entscheidet sich dagegen. Sie nickt Sophie zu, als entließe sie sie. »Danke«, setzt sie dann noch hinzu, als wäre es ihr nachträglich eingefallen.
Mit einem Grinsen auf dem Gesicht geht Sophie hinaus.
»Großmutter ist einfach das Letzte«, hat Louisa schon bei zahlreichen Gelegenheiten geklagt. »Kein Wunder, dass die Kinder sie das Granny-Monster nennen! Es tut mir wirklich leid, Sophes.«
Aber Sophie macht sich nichts daraus. Die Trehearnes sind ihr inzwischen so ans Herz gewachsen wie ihre eigene Familie. Von Anfang an, als sie mit Louisa, ihrer besten und liebsten Freundin, herkam und dieser letzte Urlaub nach ihrer Abtreibung sich auf seltsame und doch ganz einfache Weise in einen Job verwandelte, hat Sophie diese Familie adoptiert. Den alten Dickie, der damals schon ein wenig verwirrt und von Arthritis verkrüppelt war, die blitzgescheite, selbstherrliche und anspruchsvolle Rowena und den freundlichen, herzlichen und großzügigen Johnnie, dessen Frau genauso nett wie er war …
Während sie die elegante, geschwungene Treppe hinaufsteigt, erinnert sich Sophie seufzend an den langen Kampf der armen Meg gegen den Krebs, ein Kampf, der schon begonnen hatte, als Sophie damals in das Haus am Tamar kam. Sehr schnell hatte sie erfasst, wie sie sich nützlich machen konnte, um sich wenigstens teilweise für die Freundlichkeit zu revanchieren, die alle ihr erwiesen hatten.
Vielleicht, denkt Sophie jetzt, als sie ihre Jeans abstreift und nach ihren Shorts sucht, vielleicht ist es leichter, Menschen gegenüber, mit denen wir nicht verwandt sind, geduldig und tolerant zu sein; sie schätzen uns höher. Und wenn wir sehr jung sind, können wir bei ihnen ein wenig angeben und Rollen ausprobieren, um uns selbst besser zu erkennen, ohne verspottet oder gedemütigt zu werden. Bei den Trehearnes war sie erst richtig erwachsen geworden.
»Ich habe nichts dagegen, wenn du deiner Mum von der Abtreibung erzählst«, sagte sie zu Louisa. Irgendwie wusste sie sogar damals, dass Louisas Eltern sie nicht verurteilen würden.
Meg war mitfühlend und herzlich, während ihre eigene Mutter schockiert und zornig reagiert hatte. Es war eine Erleichterung, hier am Tamar zu bleiben, wo man sie schätzte und sie dafür andere umsorgen konnte. Als Johnnie ins Verteidigungsministerium nach London versetzt wurde, blieb sie gern bei der gebrechlichen Meg und behielt dabei die immer noch äußerst unabhängige Rowena und den lieben alten Dickie im Auge. Dann starb Dickie und nicht lange nach ihm Meg, und Johnnie war froh über Sophies Unterstützung, Gesellschaft und Kraft.
Und die ganze Zeit über wuchs sie innerlich; sie entdeckte, dass es sie glücklich machte, diese Familie zu umsorgen und zu unterstützen, dass sie ihre Freiheit und Unabhängigkeit schätzte und keinerlei Wunsch hegte, sich unauflöslich an einen einzigen Mann zu binden. Sie war nicht besonders romantisch oder mütterlich veranlagt, und langsam wurde ihr klar, dass die Sorge für die Trehearnes ihre Mutterinstinkte und ihr Bedürfnis nach Gesellschaft befriedigte und es daneben junge Männer gab, die nur zu gern bereit waren, etwaige körperliche Bedürfnisse zu stillen. Vielleicht hat diese frühe, katastrophal verlaufene Beziehung, die mit Betrug und Abtreibung geendet hatte, Sophie von jeglichem Wunsch nach einer intimen Langzeitbeziehung geheilt.
Sophie zieht ein Neckholder-Top an, bindet sich ein gepunktetes Tuch über das kurze blonde Haar und geht zu Johnnie und Fred hinunter.
Rowena steht immer noch mit Als Foto in der Hand da, sieht in die Vergangenheit und betrachtet lange entschwundene Szenen. Sie sieht ihn bei dem Weihnachtsball auf der HMS Drake mit Juliet tanzen. Die beiden bewegen sich zu California Dreamin’ , einem langsamen, romantischen Stück, und drehen sich in den Schatten am Rand der Tanzfläche. Al hat die Augen geschlossen und drückt sie viel zu eng an sich; der seidige Chiffonrock von Juliets langem, hellem Ballkleid schwebt und heftet sich an die dunkle Uniform ihres Tanzpartners. Mike sitzt an der Bar und kippt die Drinks nur so herunter, aber er dreht sich um und beobachtet die beiden, und seine ziemlich dümmliche und halb betrunkene Miene verhärtet sich wachsam.
Rowena hört Juliet mit angespannter, verzweifelter Stimme während einer
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