Das Paradies am Fluss
zu sein.
Jetzt gießt Cass den Kaffee auf und stellt die Kanne auf den Tisch.
»Komisch, oder«, meint sie zu Kate und unterbricht damit Tom, »wenn man bedenkt, dass du auch Johnnie hättest heiraten können.«
Ein kurzes Schweigen tritt ein, als beide Cass verblüfft anstarren. Dann lacht Kate und schüttelt den Kopf.
»Entschuldigung«, sagt sie. »Ich war mit meinen Gedanken gerade in der Vergangenheit. Was hast du gesagt?«
Als Kate am Samstagmorgen nach Tavistock fährt, erinnert sie sich an Cass’ eigenartige Bemerkung. »Du hättest Johnnie heiraten können.«
Es stimmt, dass sie sich zu Johnnie hingezogen fühlte, aber auf keinerlei sexuelle Art; zwischen ihnen bestand keine magnetische Anziehung, keine aufregende Chemie. Mit ihm fühlte sie sich genauso behaglich wie mit ihrem Bruder. Zwischen ihr und Johnnie herrschte eine Ungezwungenheit, die frei von jeder Spannung war, und das wusste sie zu schätzen. Sie versteht Cass’ unausgesprochene Frage: Warum musstest du den schwierigen, eigenbrötlerischen Mark heiraten, wenn du Johnnie mit seinem heiteren Gemüt hättest haben können? Und vielleicht ist die Antwort auf die Frage ja einfach. Einem neunzehnjährigen Mädchen wird ein starker, schweigsamer Mann von zweiundzwanzig Jahren, der soeben zum zweiten Leutnant zur See befördert worden ist, immer aufregender vorkommen als ein freundlicher, gleichaltriger Junge, der gerade sein erstes Jahr an der Marineakademie abschließt.
Wie jung wir doch waren!, denkt Kate. So selbstbewusst und so sicher, alles richtig zu machen.
Als sie über das Gemeindeland von Plaster Down fährt, sieht sie einen Volvo, der dort parkt, wo sie für gewöhnlich anhält, um Flossie auszuführen. Zwei kleine Jungen von acht oder neun spielen Fußball mit einem Mann, den sie für ihren Vater hält, weil die drei einander so ähnlich sehen. Ein Golden Retriever springt um sie herum, läuft ihnen vor die Füße und versucht, den Ball zu fassen zu bekommen, und die Jungen schreien, und der Mann versucht, den Hund abzulenken, indem er einen abgebrochenen Ast wirft, damit er ihn apportiert.
Kate verlangsamt ihr Tempo und sieht zu, während erneut die Geister an sie herandrängen. Sie ist sich ziemlich sicher, dass die Jungen das Internat Mount House besuchen und Ausgang haben, und der hagere, zähe junge Mann dürfte Marineoffizier sein, der ebenfalls Freigang hat und sich Zeit für seine Kinder nimmt. Der Hund kommt mit dem Stock zurück, und der Mann packt das Holz an beiden Enden und dreht sich in dem Versuch, es dem Tier wegzunehmen, im Kreis. Aber der Hund beißt sich daran fest, bis er den Boden unter den Füßen verliert und im Kreis herumgedreht wird. Immer noch klammert er sich grimmig an den Ast, und die Jungen lachen und feuern ihn an.
Sie fährt weiter über die vertrauten Straßen des Moors. Diese starken Gefühle verunsichern sie, und sie fragt sich, ob es richtig von ihr ist, dass sie überlegt, wieder an diesen Ort zu ziehen, an dem sie dreißig Jahre gelebt hat. Sie war zweimal verheiratet – die erste Ehe endete durch Scheidung und die andere mit dem Tod ihres Mannes –, hat Guy und Giles großgezogen, in Tavistock im Buchladen gearbeitet und Golden Retriever gezüchtet. Auf dieser kurzen Fahrt ist sie schon an drei verschiedenen Häusern vorbeigekommen, in denen sie einmal gewohnt hat: dem Kolonialstil-Bungalow in Dousland, einem alten, entzückenden Cottage in Walkhampton und dem viktorianischen Haus am Stadtrand. Wird das Cottage in der Chapel Street der Ort sein, an dem sie schließlich sesshaft werden wird?
Sie denkt an das schmale Tal an der Nordküste und das Cottage am Ende der Häuserzeile, auf der Schwelle zum Meer. Das Cottage gehört eigentlich Bruno, aber es ist voll mit ihren eigenen Besitztümern, und er lebt einen kurzen Fußmarsch entfernt in seinem merkwürdigen Steinhaus – dem Lookout – auf halbem Weg die Klippe hinauf, sodass sie sich nie einsam zu fühlen braucht. In den letzten paar Jahren ist sie sehr glücklich gewesen – eine magische Zeit, als wäre das richtige Leben angehalten worden. Sie trägt keine nennenswerte Verantwortung und ist ein Teil der kleinen, eng verbundenen Gemeinde von St. Meriadoc. Wenn man sie nicht überredet hätte, wieder in Immobilien zu investieren, stünde sie jetzt nicht vor der Entscheidung, ob sie weiter in Brunos Cottage zur Miete wohnen oder wieder nach Tavistock ziehen soll.
Panik steigt in ihr auf, und sie tut, was sie schon so oft getan hat:
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