Das Paradies am Fluss
Sie war niemals froher, als wenn sie über Al reden, die Fotos ansehen und sich an diese glücklichen Zeiten erinnern konnte.«
Johnnie sah Sophie an, damit sie ihn bestärkte und unterstützte, und sie pflichtete ihm eilig bei.
»Und wir waren ohnehin gewarnt und wussten, dass sie von geliehener Zeit lebt«, erklärte sie. »Verstehen Sie, Jess, sie hatte schon mehrere dieser Anfälle, bevor Sie auf der Bildfläche erschienen sind.«
»Sie hat so glücklich ausgesehen«, erinnerte sich Johnnie, »als Sie neben ihr gekniet haben und ich sie von Al sprechen hörte! Ich glaube, es war das Beste so. Bitte machen Sie sich keine Gedanken, Jess!«
Sie waren so nett zu ihr, aber sie kannten auch die Wahrheit nicht – obwohl Jess vermutete, dass Sophie einiges merkwürdig vorkam.
»Kein Problem, wenn Sie hierbleiben wollen«, sagte Sophie später zu ihr, als Johnnie hinausgegangen war. »Wirklich nicht.«
»Aber ich würde mich wie ein Eindringling fühlen«, entgegnete Jess rasch. »Und Sie werden das Haus voll haben.« Die Aussicht, auf engstem Raum mit Johnnies Töchtern zusammen zu sein, die wissen würden, dass sie bei Rowenas letzten beiden Anfällen bei ihr gewesen war, erschien ihr einfach zu schrecklich. »Werden Sie ihnen erzählen, dass ich bei ihr war, als sie starb?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Johnnie findet es besser, nicht alles durch diese Sache mit Al zu komplizieren. Die Mädchen wissen nicht wirklich viel über die alten Geschichten, und ich vermute, dass Johnnie es für gescheiter hält, die Angelegenheit einfach zu handhaben. Verstehen Sie, alle haben damit gerechnet. Es war kein besonders großer Schock, auch wenn wir alle sehr traurig sind. Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich fahre wieder zu Kate. Sie hat mich schließlich eingeladen, und es wäre nett, noch etwas bei ihr zu bleiben. Natürlich würde ich gern an der Beerdigung teilnehmen.«
»Ich hoffe, Sie kommen beide«, sagte Sophie.
Jess erreicht die Abzweigung zur Straße nach Tavistock und fährt auf die Stadt zu. Der Nebel lichtet sich, und sie erkennt die Moore am Horizont, die von treibenden Wolken eingehüllt sind. Wie lange es her zu sein scheint, seit sie damals ankam und Oliver und die schwanzwedelnde Flossie am Tor auf sie gewartet haben! Jess fährt in die Chapel Street, wo dieses Mal Kate und Flossie sie erwarten.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Ihnen so früh ins Haus falle«, meint Jess nervös, nachdem sie Kate umarmt und Flossie gestreichelt hat. »Einige Familienmitglieder wollten schon am Vormittag kommen, und ich habe mich unwohl bei dem Gedanken gefühlt, bei einer so privaten Angelegenheit dabei zu sein.«
»Natürlich macht es mir nichts aus«, sagt Kate. »Es ist schön, Sie wieder bei mir zu haben. Ich war heute ziemlich faul und habe noch über meinem Frühstückstee gesessen. Warum bringen Sie nicht Ihr Gepäck nach oben und leisten mir dann Gesellschaft?«
»Sehr gern«, antwortet Jess dankbar.
Oben sieht sie sich mit einem Gefühl der Erleichterung und des Wiedererkennens in ihrem Zimmer um. Hier wird niemand Erwartungen an sie stellen, und sie spürt, wie ein Teil der Spannung der letzten Woche von ihr abfällt.
Jess packt ihre Tasche aus, nimmt Davids Gemälde aus seiner Hülle und setzt es behutsam auf das Gestell. Dann steht sie ganz still da und betrachtet es: die alte Steinbrücke über den Fluss und das Uferstück darunter, wo der Fingerhut vor dem von der Sonne erwärmten Stein wächst; das Sonnenlicht auf dem schimmernden Wasser, das vor ihren Augen zu fließen und zu plätschern scheint. Die geschickten, zarten Pinselstriche, die die Fingerhutstauden darstellen, die Oberflächenstruktur des bröckelnden Steins und die winzigen, federnden Mooskissen, die sich daran klammern.
Danke für alles. Es war vollkommen. Alles Liebe, D.
Jess holt tief Luft. Sie zieht den Reißverschluss ihrer Laptoptasche auf, nimmt zwei Fotos heraus und geht wieder nach unten.
Kate sitzt an dem großen Tisch im Wohnzimmer, liest einen Brief und trinkt Tee. Jess legt schweigend die Fotos neben sie. Behutsam stellt Kate die Tasse auf die Untertasse und betrachtet das erste Foto. Dann nimmt sie es in die Hand. Die Braut mit den Blumen in ihrem langen, glänzenden Haar ist wunderschön. Sie trägt ein einfaches weißes Kleid mit einem hohen, verstärkten Spitzenkragen und langen Ärmeln und sieht mit einer Art erfreutem Erstaunen in die Kamera. Der stolze, selbstbewusste Bräutigam ist in Galauniform
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