Das Paradies auf Erden
nicht Claudias Erwartungen, aber sie wollte kein vorschnelles Urteil fällen, und der erste Eindruck war oft trügerisch.
Cork faltete den “Telegraph” an der entsprechenden Stelle und deutete stumm auf die Anzeige, mit der Dr. George Willis und Mrs. Doreen Ramsay ihre bevorstehende Hochzeit bekannt gaben.
“Interessant”, meinte Mr. Tait -Bullen, nachdem er die Anzeige zweimal gelesen hatte. “Was wohl aus der Tochter wird? Vermutlich bleibt sie im Haus des Colonels.”
Danach vergaß er die Angelegenheit, bis ihn abends ein vages Unbehagen dazu veranlasste, Dr. Willis anzurufen und ihm herzlich zu gratulieren.
“Sie heiraten bald?” fragte er dann.
“Schon in vier Tagen”, antwortete Dr. Willis. “Mrs. Ramsay wohnt bereits bei mir … ebenso Tombs und Mrs. Pratt, die in meine Dienste getreten sind. Jenny arbeitet seit heute Morgen im Gutshaus.” Nach einer Pause fügte er hinzu: “Der neue Hausherr hatte sie alle auf die Straße gesetzt.”
“Und die Tochter?” fragte der Professor scharf.
“Claudia hat zum Glück eine Stellung gefunden … in einer Altenklinik in Southampton. Mein Eindruck war nicht sehr günstig, aber sie schienen dringend jemanden zu brauchen.”
“Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass der neue Besitzer alle aus dem Haus geworfen hat? Ist er denn kein Verwandter?”
“Nur ein entfernter Cousin.”
“Wirklich erstaunlich.” Vor dem inneren Auge des, Professors tauchte flüchtig das Bild einer hübschen jungen Frau mit rotem Haar auf, und das genügte, um ihn neugierig zu machen.
“Ich fahre übermorgen nach Bristol. Darf ich auf dem Weg vorbeischauen und Ihnen beiden Glück wünschen?”
“Mit dem größten Vergnügen. Es wäre eine große Freude für uns, wenn Sie auch an der Hochzeit teilnehmen würden.”
Der Professor legte den Hörer auf und lehnte sich nachdenklich zurück. Wenn er alles gut plante, bestand kein Grund, die Einladung zu der Hochzeit nicht anzunehmen.
Nach dem ersten Tag im Krankenhaus wusste Claudia genau, was von einer
“allgemeinen Hilfskraft” erwartet wurde. Sie musste Betten machen, Tabletts tragen, Bettpfannen ausleeren und Säcke mit schmutziger Wäsche schleppen.
Wenn das erledigt war, musste sie den Alten und Gebrechlichen beim Hinlegen oder Aufstehen helfen, ihre Pantoffeln, Brillen und Zahnprothesen suchen, Behinderte füttern und die Rüstigeren zur Toilette begleiten. Es war eine Arbeit ohne Ende.
Als Claudia kurz nach drei Uhr Dienstschluss hatte, atmete sie auf. Bis morgen früh hatte sie frei, und das Schicksal hatte es gewollt, dass übermorgen ihr erster freier Tag war. Ein ganzer, Tag ohne Arbeit, dachte sie, und am Tag darauf muss ich erst nachmittags anfangen. Vergnügt zog sie sich um und eilte zur nächsten Telefonzelle.
Ihre Mutter und George wollten in drei Tagen heiraten. Sie würde an der Trauung teilnehmen können, auch wenn sie Little Planting unmittelbar danach verlassen musste. Zwischen Romsey und Southampton verkehrten regelmäßig Busse. Sie musste nur eine Fahrmöglichkeit von Little Planting nach Romsey finden.
“Du wirst natürlich in Romsey abgeholt”, versprach ihre Mutter. “Jeder im Dorf wird das gern tun. Sag mir nur Bescheid, wann der Bus in Romsey ankommt. Und mach dir wegen der Rückfahrt keine Sorgen. Irgendjemand wird dich schon mitnehmen. Du bist doch glücklich, Schatz?”
“Natürlich, Mum.” Claudia sagte das so überzeugend, dass Mrs. Ramsay nach dem Gespräch überall verkündete, es gehe Claudia gut und sie könne sogar an der Hochzeit teilnehmen.
Claudia kehrte ins Krankenhaus zurück, trank mit einer Kollegin Tee und zog sich dann in ihr Zimmer zurück. Sie war erschöpft, und ihr schmerzten die Füße.
Der Tag war anstrengend gewesen, aber sie fühlte sich auch bedrückt und dachte mit Sorgen an die Zukunft. Sie würde in der Altenklinik bleiben, aber nur, bis sie genug Geld gespart hatte, um etwas zu lernen, das ihr später mehr Freiheit ermöglichte. Genug Geld, um schöne Kleider zu kaufen und Urlaub zu machen.
Um eine Karrierefrau zu werden.
Es gab nicht viel, das für sie infrage kam. Etwas mit Computer-und Buchhaltungskenntnissen, in einem Büro mit geregelter Arbeitszeit von neun bis fünf Uhr. Sie würde eine hübsche Wohnung und Freunde haben, die sie einladen und besuchen konnte. Vielleicht würde sie sogar einen Mann kennen lernen, der sich in sie verliebte und ihr einen Heiratsantrag machte …
Mr. Tait-Bullens anziehendes Gesicht tauchte kurz in diesen
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