Das Paradies auf Erden
muss für einige Tage fort, aber wenn ich zurückkomme, würde ich Sie gern wieder sehen.”
“Oh, wirklich? Das wäre wunderbar.” Claudia strahlte ihn an. “Wir vertragen uns gut, nicht wahr? Als ich Sie kennen lernte, mochte ich Sie eigentlich nicht, aber inzwischen habe ich meine Meinung geändert.”
“Das hatte ich gehofft, Claudia. Wie Sie sagen … wir vertragen uns gut.”
Mr. Tait-Bullen fuhr Claudia zum Krankenhaus zurück und küsste sie vor den Augen des Pförtners zum Abschied auf die Wange. Erst später, in ihrem Zimmer, wurde ihr klar, dass er nicht noch einmal von einem Wiedersehen gesprochen hatte.
“Dumme Gans”, schalt sie sich und hörte auf, ihr glänzendes rotes Haar zu bürsten. “Wenn er es auch nicht zugeben wollte … du hast ihn zu Tode gelangweilt. Wie eine schwatzhafte alte Jungfer hast du dich aufgeführt! “
Sie legte die Bürste auf die Glasplatte unter dem kleinen Spiegel und ging bedrückt schlafen. Sie mochte den Professor und fühlte sic h in seiner Gesellschaft wohl. Wenn sie sich nur geschickter verhalten hätte! Schließlich lebte er in London, war erfolgreich in seinem Beruf und vermutlich auch noch reich. Da fehlte es ihm sicher nicht an mondänen Verehrerinnen, die geistreich zu plaudern wussten, aber im richtigen Moment auch schweigen konnten …
Zwei Tage später hatte Claudia Nachmittagsdienst. Es stürmte und regnete seit dem frühen Morgen, und die Versuchung, den freien Vormittag im Aufenthaltsraum vor dem Gasfeuer zu verträumen, war groß. Doch der Tag lag noch vor ihr, und wenn Claudia an die langen Stunden im Krankensaal dachte, kam ihr ein Spaziergang trotz des schlechten Wetters vernünftiger vor.
Sie zog feste Schuhe und dazu den Regenmantel an, band sich ein Tuch um den Kopf und fuhr mit dem Lift zum Erdgeschoss hinunter. Sie wollte das Krankenhaus durch den Nebeneingang verlassen, der nur vom Personal benutzt wurde, kam aber nicht dazu. Der Pförtner hatte sie gesehen und rief sie zurück.
“Ich versuche schon ewig, Sie zu erreichen”, sagte er mürrisch. “Sie werden im Besuchsraum erwartet.”
“Ich?” fragte Claudia ungläubig. “Von wem?”
“Woher soll ich das wissen? Ich sollte Ihnen Bescheid sagen, und das habe ich getan.”
„Ja, natürlich … Vielen Dank.”
Claudia drehte sich um und ging den entgegengesetzten Korridor hinunter, an dem die Zimmer der Ärzte, der Konferenz-und auch der Besuchsraum lagen.
Mum, dachte sie plötzlich und öffnete mit klopfendem Herzen die Tür.
Hoffentlich gibt es keine schlechten Nachrichten.
Der Raum wirkte wenig einladend auf Besucher. Er war dunkel gestrichen, und auf dem Boden lag braunes, stellenweise schadhaftes Linoleum. Über dem Tisch hing eine hässliche Glaslampe mit zu heller Birne, an den Wänden standen einfache Holzstühle, und in dem riesigen Kamin brannte ein Gasfeuer.
“Oh”, sagte Claudia, als sie Mr. Tait -Bullen erkannte. “Sie sind es.” Um nicht unhöflich zu erscheinen, setzte sie hinzu: “Ich meine, ich habe Sie nicht erwartet.” Sie bemerkte, dass er lächelte, und seufzte erleichtert. “Ich wollte gerade einen Spaziergang machen.”
Mr. Tait-Bullen schwieg noch immer, und Claudia wurde langsam ungeduldig.
“Kommen Sie von unterwegs, oder haben Sie Urlaub?”
“Ich bin auf dem Weg nach London.”
“Was für ein Glück, dass ich heute Nachmittagsdienst habe.” Claudia errötete.
“Ich will damit sagen … Sie hätten ja vorbeikommen können, und ich wäre bei der Arbeit gewesen.” Sie machte es immer schlimmer. Klang das nicht, als erwartete sie, wieder eingeladen zu werden? “Sicher haben Sie es eilig, nach Hause zu kommen.”
“Dann hätte ich meine Rückfahrt nicht unterbrochen.”
“Aber Sie konnten nicht wissen, dass ich freihabe.”
“Ich habe vorher angerufen, um sicher zu sein. Ich muss wieder einige Tage fort und wollte Sie vorher sprechen.”
“Warum? Ist meine Mutter krank? Oder George? Sind Sie ihretwegen hier?”
“Soweit ich weiß, sind beide bei bester Gesundheit.” Mr. Tait -Bullen machte eine Pause, und dann lächelte er. “Antworten Sie mir ehrlich, Claudia, ehe ich weiterspreche. Sind Sie glücklic h hier? Ist es Ihr Wunsch, eine Karrierefrau zu werden, oder träumen Sie von etwas anderem?”
“Warum möchten Sie das wissen?” fragte Claudia. Als keine Antwort kam, fuhr sie fort: “Also gut. Nein, ich bin nicht glücklich hier. Die kranken alten Frauen tun mir Leid, aber ich vermisse den Garten, das Dorf und
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