Das Paradies auf Erden
geben.
Sie verließen London kurz nach acht Uhr. Es war noch nicht richtig hell, und auf den Straßen herrschte sonntägliche Ruhe. Die Geschenke für Claudias Mutter, George, Tombs, Mrs. Pratt und Jenny lagen eingepackt im Kofferraum. Harvey schlief auf dem Rücksitz, gewärmt von einem alten Schal.
Claudia trug ein neues Kostüm, dem sie während der Weihnachtseinkäufe erlegen war, und dazu passende Stiefel, an deren Preis sie sich nur mit Schaudern erinnerte. Sie hatte gehofft, das Kostüm und die Stiefel würden Thomas auffallen, aber er bemerkte selten, was sie trug. Mehr als ein “Du siehst nett aus!” bekam sie fast nie zu hören. Er machte sich einfach nicht die Mühe, sie richtig anzusehen.
Noch während sie so dachte, meldete sich Claudias Gewissen. Thomas war ein freundlicher und fürsorglicher Ehemann. Sie verstanden sich großartig und kamen gut miteinander aus. War es da wichtig, ob er ihr auch noch Komplimente machte?
Anderthalb Stunden später erreichten sie Child Okeford. Die Sonne hatte sich inzwischen durch die Wolken gekämpft. In einer Stunde sollte der Gottesdienst beginnen, und danach würden die üblichen Spaziergänger unterwegs sein, aber bis dahin hatten sie das Dorf für sich allein.
“Wollen wir uns ein wenig umsehen?” fragte Claudia.
Mit Harvey an der Leine begannen sie vom Marktplatz aus die Besichtigung.
“Viel hat sich nicht verändert”, meinte Claudia. “Der Laden und der Pub sind immer noch da.”
Sie bewunderten die mächtige Backsteinkirche und schlenderten anschließend durch die Hauptstraße, von der kurze Nebenstraßen abgingen. Alles machte einen gut erhaltenen Eindruck, die Cottages mit ihrem ländlichen Charme ebenso wie die wenigen größeren Häuser, die abseits in schönen Gärten standen.
Am Ende der Hauptstraße entdeckte Claudia einen schmalen, zwischen hohen Hecken halb versteckten Seitenweg. “Sieh nur, Thomas”, sagte sie. “Wie idyllisch … fast wie im Märchen! Lass uns dem Weg folgen.”
Sie kamen an zwei Cottages vorbei, die direkt am Weg lagen, und stießen nach einer Biegung auf ein drittes Haus. Es war größer und lag weiter zurück. Neben dem altmodischen schmiedeeisernen Gartentor stand ein Schild mit der Aufschrift “Zu verkaufen”. Das Haus musste schon länger leer stehen, denn die Fenster hatten keine Gardinen, und der Garten war völlig von Unkraut überwuchert.
Claudia sah Thomas mit leuchtenden Augen an. Er öffnete das Tor, und sie folgten einem gepflasterten Weg bis zu der massiven Haustür, die von dem vorspringenden Strohdach überragt wurde, ebenso wie die kleinen Fenster im ersten Stock. Zwischen denen im Erdgeschoss wuchsen Heckenrosen, die noch die Früchte vom Herbst trugen.
Claudia versuchte, durch eins der Fenster hineinzusehen. “Die Küche”, sagte sie. “Gegenüber sind noch zwei Fenster, und dazwischen befindet sich eine Tür.
Wahrscheinlich führt sie in den Garten. “
Sie gingen um das Haus herum, wo sie die hintere Tür und weitere Fenster entdeckten. Sie gehörten zu zwei Zimmern, die sich an die Küche anschlossen, einem kleineren und einem größeren, das die halbe Grundfläche des Hauses einnahm.
Auf dem Rückweg spähte Claudia durch den Briefschlitz. “Ich erkenne die Treppe”, sagte sie, aber als sie sich umdrehte, war Thomas nicht mehr da. Er war zum Gartentor gegangen, um sich die Telefonnummer des Maklers zu notieren, die auf dem Verkaufsschild stand.
“O Thomas!” rief Claudia. “Gefällt dir das Haus so gut, dass du es auch von innen sehen möchtest?”
Thomas steckte sein Notizbuch ein und kam zurück. “Ja, es gefällt mir. Der Makler wohnt hier in der Gegend … drüben in Blandford. Wollen wir uns bei ihm melden? Ich rufe aus dem Auto an. Vielleicht hat er Zeit
herüberzukommen.”
“Du meinst, jetzt? Heute Morgen? O Thomas…”
Claudias Wangen glühten, und ihre Augen strahlten vor Begeisterung. Thomas ertappte sich bei dem Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen. Das überraschte ihn, und ihm war, als sähe er sie zum ersten Mal.
“Ja, jetzt”, versicherte er, ohne sich etwas anmerken zu lassen. “Noch diesen Morgen.”
Sie gingen zum Marktplatz zurück, und Thomas rief über Funk den Makler an.
Er erklärte sich sofort bereit, herüberzukommen und sie beim Cottage zu treffen.
„Ich brauche nur eine knappe halbe Stunde”, versicherte er.
Thomas griff noch einmal zum Telefon. “Wir wollen deiner Mutter sagen, dass wir etwas später kommen. Sie
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