Das Paradies der Damen - 11
Aurélie zögerte; sie schien auf dem Punkt, ihr das Ausgehen zu verbieten. Claire dagegen zuckte mit geringschätziger Miene die Achseln, als wollte sie sagen: Laßt’s gut sein! Die Sache ist doch sehr einfach: er will nichts mehr von ihr wissen!
Pauline stand gerade bei Deloche, als sie von dieser Entwicklung erfuhren. Die plötzliche Freude des jungen Mannes versetzte sie in heftigen Zorn. Das werde ihm wenig nützen, meinte sie. War er vielleicht gar glücklich darüber, daß ihre Freundin dumm genug war, ihr Glück zu verscherzen?
Die allgemeine Erregung griff selbst auf Bourdoncle über, der Mouret in seiner gereizten Vereinsamung nicht zu stören wagte und verstimmt und unruhig umherwanderte.
Mittlerweile ging Denise langsam nach unten, sich immer auf das Geländer stützend. Als sie an der kleinen Treppe links ankam, stieß sie auf eine Gruppe von Verkäufern, die noch immer ihren Spott trieben. Sie hörte ihren Namen nennen und begriff, daß man nach wie vor von ihrem Abenteuer sprach. Man hatte ihre Anwesenheit nicht bemerkt.
»Habt ihr so ein geziertes Getue schon gesehen?« rief Favier.
»Sie ist lasterhaft durch und durch. Ja, ich kenne jemanden, den sie mit Gewalt haben wollte!«
Dabei blickte er auf Hutin, der in seiner Würde als Zweiter sich einige Schritte entfernt hielt und sich in die Gespräche nicht einmengte. Aber er war so geschmeichelt von den neidischen Mienen der anderen, daß er zu murmeln geruhte:
»Ja, sie hat mir viel Verdruß gemacht!«
Zutiefst getroffen stützte sich Denise auf das Treppengeländer. Nun schien man sie bemerkt zu haben, denn die Verkäufer gingen lachend auseinander … Er hatte ganz recht; sie machte sich heute selber Vorwürfe über ihr unbesonnenes Benehmen von damals. Aber wie feig er war! Wie verachtete sie ihn jetzt! … Eine tiefe Verwirrung bemächtigte sich ihrer: war es nicht seltsam, daß sie soeben die Kraft gefunden hatte, einen angebeteten Mann zurückzuweisen, während sie seinerzeit vor diesem elenden Burschen, von dessen Liebe sie nur geträumt hatte, sich so schwach gefühlt hatte?
Sie ging rasch durch die Halle. Während ein Inspektor die Tür öffnete, die seit dem Morgen geschlossen war, blickte sie unwillkürlich nach oben. Da sah sie Mouret; er stand noch immer an der Treppe, von wo aus er alles überschauen konnte. Doch er hatte die Inventur vergessen; er sah sein Reich, diese von Schätzen strotzenden Räume gar nicht mehr. Alles war versunken, die lärmenden Triumphe des vergangenen, das ungeheure Vermögen der kommenden Tage. Mit verzweifelten Blicken folgte er Denise, und als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, gab es um ihn nichts mehr, das Haus war finster.
Elftes Kapitel
Bouthemont traf heute als erster bei Frau Desforges zum Tee ein. Sie war noch allein in ihrem großen Salon und empfing ihn, als er eintrat, mit einem kurzen:
»Nun?«
»Nun«, erwiderte der junge Mann, »ich habe ihm gesagt, daß ich bestimmt zu Ihnen gehen würde, und er hat mir in aller Form versprochen, ebenfalls zu kommen.«
»Sie haben ihm zu verstehen gegeben, daß ich heute auf den Baron zähle?«
»Aber sicher; das schien den Ausschlag zu geben.«
Sie sprachen von Mouret. Er hatte im verflossenen Jahr eine plötzliche Neigung zu Bouthemont gefaßt, die so weit ging, daß er ihn zu seinen Vergnügungen hinzuzog. Er führte ihn sogar bei Henriette ein, froh darüber, daß er jemanden bei der Hand hatte, der etwas Heiterkeit in das Verhältnis brachte, dessen er schon überdrüssig war. So war Bouthemont allmählich der Vertraute seines Chefs sowohl wie der schönen Witwe geworden: er besorgte ihre kleinen Aufträge, sprach mit dem einen von dem andern und versöhnte sie zuweilen, wenn ein kleiner Zwist ausgebrochen war. In ihren Eifersuchtsanwandlungen gar überließ sich Henriette gelegentlich einer Vertraulichkeit, die ihn überraschte; sie ließ dann alle Zurückhaltung einer Dame von Welt außer acht und wahrte nicht einmal den äußeren Schein.
Auch jetzt rief sie heftig:
»Sie hätten ihn gleich mitbringen sollen, damit ich sicher bin!«
»Ich kann doch nichts dafür, wenn er mir seit einiger Zeit immer wieder entschlüpft … Trotzdem meint er es gut mit mir; ohne ihn würde es mir schlimm ergehen.«
In der Tat war seit der letzten Inventur seine Stellung im »Paradies der Damen« bedroht. Vergebens berief er sich auf die regnerische Jahreszeit; man hielt ihm immer wieder den großen Vorrat an Phantasieseide vor. Da Hutin
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