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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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danke Ihnen«, erwiderte sie immer wieder.
    Da stieß er wie einen Verzweiflungsschrei hervor:
    »Sehen Sie denn nicht, daß ich leide? Ja, es ist albern, aber ich leide wie ein Kind!«
    Seine Augen waren von Tränen feucht. Von neuem schwiegen sie; hinter der geschlossenen Tür hörte man das gedämpfte Geräusch der Inventurarbeiten.
    »Und wenn ich es doch so gern möchte!« sagte er mit bebender Stimme und ergriff ihre Hände.
    Sie überließ sie ihm, und ihre Blicke wurden matt, ihre Kräfte schwanden dahin. Von den warmen Händen dieses Mannes strömte eine Glut aus, die ihren ganzen Körper erfüllte und eine himmlische Schlaffheit erzeugte. Mein Gott, wie sehr liebte sie ihn, welche Wonne wäre es für sie gewesen, sich an seinen Hals zu werfen und an seiner Brust zu ruhen!
    »Ich will es, ich will es!« wiederholte er ganz außer sich; »ich erwarte Sie heute abend, oder ich werde Maßnahmen ergreifen …«
    Er wurde grob. Sie stieß einen leisen Schrei aus; der Schmerz, den sie in den Handknöcheln fühlte, gab ihr den Mut wieder. Mit einem kräftigen Stoß machte sie sich frei. Hoch aufgerichtet sagte sie:
    »Nein, lassen Sie mich, ich bin keine Claire, die man am andern Tag wieder stehen lassen kann. Übrigens lieben Sie ja eine Frau, diese Dame, die zuweilen hierherkommt. Bleiben Sie bei ihr, ich will nicht teilen.«
    Er stand starr vor Überraschung; was sagte sie da, was wollte sie? Niemals hatten die Mädchen, die er in den verschiedenen Abteilungen aufgelesen hatte, danach gefragt, ob er sie allein liebte. Er hätte lachen mögen, aber diese keusch-stolze Haltung verwirrte ihn vollends.
    »Machen Sie die Tür auf«, fuhr sie fort, »es gehört sich nicht, daß wir hier so eingeschlossen sind.«
    Er gehorchte mit hämmernden Schläfen und wußte nicht, wie er seine Erregung verbergen sollte. Er rief Frau Aurélie herbei und wurde wütend über den großen Vorrat an Umhängen; man müsse den Preis herabsetzen, sagte er, und zwar so lange, bis kein einziger mehr vorrätig sei. Das war eine Regel des Hauses, jedes Jahr wurde Auskehr gehalten; man verkaufte lieber mit sechzig Prozent Verlust, als daß man ein altes Modell oder einen abgelegten Stoff am Lager behielt.
    Mittlerweile erwartete ihn Bourdoncle, vor der geschlossenen Tür durch Jouve zurückgehalten, der ihm mit ernster Miene ein Wort ins Ohr geflüstert hatte. Er war ungeduldig, hatte aber doch nicht gewagt, den Chef zu stören. War es möglich? An einem solchen Tag und mit einem so erbärmlichen Geschöpf! Als Mouret endlich herauskam, berichtete ihm Bourdoncle von den Phantasieseiden, deren Vorrat noch enorm sei. Es war eine Erleichterung für Mouret, sich so recht austoben zu können. Wo hatte dieser Bouthemont seinen Kopf? Er könne nicht dulden, erklärte er im Weggehen, daß ein Einkäufer so unvernünftig sei, weit über den Bedarf hinaus zu kaufen.
    »Was hat er denn?« flüsterte Frau Aurélie, ganz verwirrt über seine Vorwürfe.
    Auch die Verkäuferinnen betrachteten einander mit überraschten Mienen. Um sechs Uhr war die Inventur zu Ende. In den einzelnen Abteilungen war es allmählich still geworden, man hörte nur noch hier und da Stimmen, die sich die letzten Angaben zuriefen. Schränke, Regale und Kästen waren jetzt leer, nicht ein Meter Stoff, nicht ein einziger Artikel war auf seinem Platz geblieben. Die weiten Räume zeigten nur das Gerippe ihrer Einrichtung, so weit man blickte, nichts als Gestelle. Auf dem Fußboden dagegen türmten sich Waren für sechzehn Millionen Franken. Langsam fingen die Verkäufer an, alles wieder einzuräumen. Man hoffte, damit bis zehn Uhr fertig zu werden. Frau Aurélie, die als erste vom Essen zurückkam, brachte die Umsatzziffer des verflossenen Jahres mit: achtzig Millionen Franken, zehn Millionen mehr als im Vorjahr. Nur bei den Phantasieseiden hatte es einen Rückgang gegeben.
    »Wenn Herr Mouret damit noch immer nicht zufrieden ist, weiß ich wirklich nicht, was er will. Da, sehen Sie ihn sich an, wie er mit wütender Miene an der großen Treppe steht!«
    Alle beeilten sich, einen Blick auf ihn zu werfen; er stand in der Tat mit düsterem Gesicht über den Millionen, die zu seinen Füßen hingebreitet waren.
    »Gnädige Frau«, sagte in diesem Augenblick Denise, »gestatten Sie, daß ich mich zurückziehe? Ich kann ja jetzt wegen meines kranken Beins doch nichts mehr helfen, und da ich heute abend bei meinem Onkel esse …«
    Alle waren erstaunt. Wie, sie hatte nicht nachgegeben? Frau

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