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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unterbrach sie lachend.
    »Nicht wahr, alle diese Ladenmädchen sehen aus wie Dienstboten? Nein, das ist ein Fräulein, das gekommen ist, einen Mantel zum Ändern abzuholen.«
    Von einem unbestimmten Verdacht ergriffen, blickte Mouret sie an. Sie fuhr mit erkünstelter Heiterkeit fort und erzählte, daß sie ihn letzten Samstag im »Paradies der Damen« gekauft habe. »Wie«, rief Frau Marty, »lassen Sie denn nicht mehr bei der Sauveur arbeiten?«
    »Doch, meine Liebe, ich wollte nur einen Versuch machen. Ich habe einmal einen Reisemantel dort gekauft und war damit recht zufrieden … Diesmal aber ist es daneben gegangen. Sie mögen sagen, was Sie wollen, in den Kaufhäusern bekommt man nichts Rechtes. Oh, ich geniere mich nicht, ich spreche es auch vor Herrn Mouret ganz offen aus. Es wird Ihnen niemals gelingen, eine Frau von Eleganz anständig anzuziehen.« Mouret fand es unter seiner Würde, sein Haus zu verteidigen. Bouthemont mußte für das »Paradies der Damen« eintreten.
    »Wenn alle vornehmen Damen, die bei uns ihre Garderobe kaufen, auf einem Platz beisammen wären, so wären Sie sehr erstaunt über unsere Kundschaft, gnädige Frau … Bestellen Sie bei uns ein Kleid nach Maß, und Sie werden genauso gut bedient sein wie bei der Sauveur, aber nur halb so teuer. Doch weil die Kleider bei uns um die Hälfte billiger sind, halten Sie sie für weniger gut!«
    »Also der Mantel paßt Ihnen nicht?« fragte Frau von Boves wieder. »Ich erinnere mich jetzt auch an das Fräulein.«
    »Ja«, fügte Frau Marty hinzu, »ich wußte auch nicht gleich, wo ich diese Person schon gesehen hatte … Nehmen Sie nur keine Rücksicht auf uns.«
    Henriette machte eine geringschätzige Gebärde und sagte:
    »Gleich, gleich, es eilt ja nicht.«
    »Sie sehen angegriffen aus, Herr Mouret«, bemerkte Frau von Boves ablenkend.
    »Das kommt von der Arbeit«, wiederholte Vallagnosc mit spöttischer Ruhe.
    Mouret erhob sich lebhaft, als schäme er sich, daß er sich so hatte gehen lassen. Er nahm seinen gewohnten Platz im Kreis der Damen ein und fand seine ganze Liebenswürdigkeit wieder. Zur Zeit beschäftigten ihn die Wintermodeartikel, er sprach von einer großen Spitzenlieferung. Frau von Boves fragte ihn nach dem Preis von Alençonspitzen, sie wollte vielleicht welche kaufen. Sie war jetzt in ihren Geldverlegenheiten so weit, daß sie sich die zwei Franken für einen Wagen versagen mußte, und kehrte jedesmal ganz krank heim, wenn sie stundenlang alle Auslagen angestaunt hatte.
    »Herr Baron Hartmann«, meldete nach einer Weile der Diener. Henriette beobachtete mit Interesse Mouret, der dem Baron entgegeneilte. Der Eintretende begrüßte die Damen und erlaubte sich dann als Freund des Hauses die vertrauliche Bemerkung:
    »Da steht ja ein reizendes junges Mädchen im Vorzimmer. Wer ist das?«
    »Oh, niemand«, erwiderte Frau Desforges boshaft. »Ein Ladenmädchen, das draußen wartet.«
    Die Tür war offengeblieben, der Diener brachte den Tee. Sooft er ging und kam, sah man in einen dunklen Winkel des Vorzimmers. Hier stand geduldig und unbeweglich wie ein Schatten Denise; zwar war eine mit Leder bezogene Bank da, allein ein gewisser Stolz verbot ihr, sich unaufgefordert zu setzen. Sie fühlte den ihr zugefügten Schimpf. Seit einer halben Stunde wartete sie hier, bewegungslos, ohne ein Wort, von den Damen und dem Baron im Vorübergehen prüfend betrachtet. Jetzt drangen Bruchstücke der Unterhaltung an ihr Ohr; angesichts der Gleichgültigkeit, die alle Welt ihr gegenüber an den Tag legte, war dieser liebenswürdige Luxus des Salons für sie besonders verletzend, doch sie rührte sich nicht. Plötzlich bemerkte sie durch die halboffene Tür Mouret. Auch er hatte inzwischen begriffen, wer da draußen wartete.
    »Ist das eine Ihrer Verkäuferinnen?« fragte der Baron.
    Mouret unterdrückte mit Mühe seine tiefe Verlegenheit.
    »Zweifellos«, sagte er mit unsicherer Stimme, »aber ich weiß nicht, welche.«
    »Die kleine Blonde aus der Konfektionsabteilung«, sagte verbindlich Frau Marty, »die Zweite, glaube ich.«
    Henriette schaute ihm fest ins Gesicht.
    »Ah!« sagte er nur.
    Dann begann er von den Festlichkeiten zu sprechen, die am Abend vorher zu Ehren des Königs von Preußen stattgefunden hatten. Allein der Baron kam in boshafter Weise wieder auf die Verkäuferinnen in den großen Warenhäusern zu sprechen. Er tat, als wollte er sich unterrichten, und stellte allerlei Fragen: Woher kamen sie im allgemeinen? Waren sie wirklich

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