Das Paradies der Damen - 11
davon; man erstickt ja fast. Es ist ein einmaliger Erfolg! Haben Sie den orientalischen Saal gesehen?«
»Großartig, unerhört!«
Inmitten der Menge hin und her gestoßen, ergingen sie sich in Lobeserhebungen über die Teppichausstellung. Dann erklärte Frau Marty, daß sie einen Mantelstoff suche, sie wisse nur noch nicht, was für einen.
»Kommen Sie doch mit in die Seidenabteilung, sehen wir uns das vielgerühmte ›Pariser Glück‹ an«, sagte Frau Desforges.
Frau Marty zögerte einen Augenblick. Seide werde wohl zu teuer sein, meinte sie. Sie habe ihrem Mann in aller Form versprochen, vernünftig zu sein. Sie kaufte nun schon seit einer Stunde ein, eine ganze Last von verschiedenen Waren wurde bereits hinter ihr hergetragen. Schließlich gab sie aber doch nach.
Auch die Seidenabteilung hatte erheblichen Zulauf bekommen. Besonders groß war das Gedränge vor der Dekoration, die Hutin unter den Anweisungen Mourets hergerichtet hatte. Rings um eine der Säulen, die das Glasdach trugen, ergoß sich gleichsam eine Flut von Stoffen, ein schäumender Sturzbach von oben herab auf das Parkett. Helle Atlasse und zarte Seiden prangten in allen Tönen, nilgrün, indischblau, mairosa, perlmutterfarben; dann kamen stärkere Gewebe, in warmen, leuchtenden Schattierungen, in mächtigen Wellen herabfließend; ganz unten, gleichsam in einem Becken, schlummerten die schweren Stoffe, Damaste, Brokate, perlenbesetzte und durchwirkte Seiden, umrahmt von allen möglichen Samten, schwarzen, weißen, farbigen, mit Seide oder Atlas untermischt wie in einem unbeweglichen See, in dem alle Farben sich spiegelten.
»Du bist auch da?« rief Frau Desforges, als sie Frau Bourdelais vor einem Tisch sitzen sah.
»Oh, guten Tag!« erwiderte Frau Bourdelais und reichte den Damen die Hand. »Ja, ich wollte mir die Sache doch auch ein wenig anschauen.«
»Prachtvoll, wie? Man könnte davon träumen … Hast du den orientalischen Saal gesehen?«
»Ja; er ist märchenhaft!«
Allein trotz dieser Begeisterung, welche das Zeichen des Tages blieb, bewahrte Frau Bourdelais die Nüchternheit einer praktischen Hausfrau. Sie prüfte sorgfältig ein Stück »Pariser Glück«, denn sie war bloß gekommen, um dieses günstige Angebot auszunützen. Sie war mit der Seide zufrieden und kaufte fünfundzwanzig Meter.
»Wie, du gehst schon?« fing Henriette wieder an. »Komm doch einmal mit uns herum.«
»Nein, danke; sie warten zu Hause auf mich. Ich wollte die Kinder nicht in dieses Gewühl mitbringen.«
Und sie ging mit dem Verkäufer, der die fünfundzwanzig Meter Seide trug, zur Kasse zehn, wo der junge Albert schon langsam den Kopf verlor, so stark wurde er in Anspruch genommen. Sie mußten eine Weile warten, ehe sie an die Reihe kamen.
»Hundertvierzig Franken!« rief endlich Albert den Posten auf. Frau Bourdelais zahlte und gab ihre Adresse an, denn sie war zu Fuß gekommen und wollte den Stoff nicht mit sich herumschleppen. Die Seide wurde von Joseph, der hinter der Kasse stand, verpackt und das Paket in einen der wartenden Rollkörbe geworfen und gleich darauf in die Abgangsstelle hinuntergeschafft. Wie ein unersättlicher Abgrund schien heute der Keller die Waren des Hauses verschlingen zu wollen.
Mittlerweile war in der Seidenabteilung ein solcher Andrang entstanden, daß Frau Desforges und Frau Marty nicht gleich bedient werden konnten. Sie standen eine Weile eingekeilt unter den Damen, die die Stoffe besichtigten und befühlten, ohne sich entschließen zu können. Um das »Pariser Glück« gab es geradezu einen Kampf. Sämtliche Angestellten waren mit nichts anderem beschäftigt, als diese Seide abzumessen; fortwährend hörte man das Knirschen der Scheren, und es schienen nicht genug Arme da zu sein, die gierig ausgestreckten Hände der Kundinnen zu befriedigen.
»Der Stoff ist nicht übel für fünf Franken sechzig!« sagte Frau Desforges, die sich ein Stück »Pariser Glück« vom Tisch ergattert hatte.
Frau Marty und ihre Tochter Valentine dagegen waren enttäuscht. Die Anzeigen in den Zeitungen hatten so viel von dieser Seide erzählt, daß sie etwas noch Festeres und Glänzenderes erwartet hatten. Inzwischen hatte Bouthemont Frau Desforges erkannt und eilte ihr mit seiner etwas plumpen Liebenswürdigkeit entgegen. Wie, die gnädige Frau wurde noch nicht bedient? Das war unverzeihlich. Sie möge Nachsicht üben, sie wüßten in der Tat heute nicht, wo ihnen der Kopf stehe.
»Schauen Sie mal«, murmelte Favier, während er hinter
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