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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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die Kundin; es war eine reizende Blondine, die oft in der Abteilung erschien. Sie kaufte immer viel, ließ alles in den Wagen schaffen und verschwand sodann. Sie war groß und elegant, mit auserlesenem Geschmack gekleidet, schien sehr reich zu sein und der besten Gesellschaft anzugehören.
    »Nun, was ist mit Ihrer Kokotte?« fragte Hutin, als Favier die Dame zur Kasse begleitet hatte und zurückkam.
    »Die – eine Kokotte? Bestimmt nicht, die sieht sehr anständig aus.«
    »Ach was, natürlich ist sie eine Kokotte! Die sehen heutzutage alle anständig aus. Bei den Frauen kann man nie wissen …«
    Favier sah auf seinen Block und meinte:
    »Mir kann’s gleich sein. Für zweihundertdreiundneunzig Franken habe ich ihr Sachen aufgehängt; das macht fast drei Franken für mich.«
    Hutin verzog den Mund und begann über die Kassenblocks zu schimpfen. Auch so eine saubere Erfindung des Chefs! Überhaupt ein schöner Tag! Wenn das so weiterging, würde er nicht einmal genug verdienen, um seine Gäste mit Selterswasser zu bewirten.
    Mouret, der nach einer Pause seinen Beobachtungsposten an der Treppe wieder eingenomemn hatte und sichtlich Mut schöpfte, mußte jetzt häufig Platz machen, um Kundinnen vorüberzulassen, die in kleinen Gruppen in die Wäsche- und die Konfektionsabteilung heraufkamen. In dem gedämpften Licht der Seidenhalle hatten einzelne Damen bereits ihre Handschuhe abgelegt, um das zarte Gewebe des »Pariser Glücks« besser befühlen zu können. Dabei plauderten sie halblaut wie in einem Salon. Er täuschte sich nicht länger über das Geräusch, das von außen kam, das Heranrollen der Droschken, das Zuschlagen der Wagentüren, das zunehmende Lärmen der Menge. Er fühlte sozusagen, wie die Maschine unter ihm sich in Bewegung setzte, warm wurde und neues Leben entwickelte, angefangen von den Kassen, wo das Geklimper der Goldstücke erklang, den Tischen, wo die Angestellten sich beeilten, die gekauften Waren einzupacken, bis hinab in die Tiefen des Kellers, wo die Warenabgangsstelle sich immer mehr mit Paketen füllte. Inmitten dieses Gewühls ging der Inspektor Jouve mit ernster Miene auf und ab, um nach Diebinnen Ausschau zu halten.
    »Sieh einer an, du bist es!« sagte Mouret plötzlich, als ein Laufbursche Vallagnosc zu ihm brachte. »Nein, du störst mich durchaus nicht. Du brauchst nur mitzukommen, wenn du alles sehen willst, heute bleibe ich am Feind.«
    Im Grunde allerdings war er noch immer nicht ganz beruhigt; zweifellos, die Leute kamen, aber würde der Sonderverkauf den erwarteten Triumph bringen? Er ließ sich jedoch nichts anmerken und gab sich sehr heiter, als er Paul mit sich zog.
    »Die Sache scheint ja direkt in Fluß kommen zu wollen«, bemerkte Hutin zu Favier.
    Aufmerksam sah er sich im ganzen Geschäft um. Plötzlich sagte er:
    »Kennen Sie Frau Desforges, die Freundin vom Chef? Da, diese Brünette in der Handschuhabteilung, der Mignot gerade ein Paar anprobiert.«
    Er schwieg, dann fuhr er flüsternd fort, als spreche er mit Mignot, von dem er kein Auge ließ:
    »Ja, ja, so ist’s recht, mein Kleiner: streichle ihr nur gut die Fingerchen; wird dir viel nützen! Man kennt ja deine Eroberungen!«
    Zwischen ihm und Mignot, dem Handschuhverkäufer, bestand eine erbitterte Nebenbuhlerschaft; beide sahen sie gut aus, beide konnten sie es nicht lassen, mit den Kundinnen zu kokettieren. Übrigens konnte weder der eine noch der andere sich irgendeines bedeutenden Erfolgs rühmen; aber sie logen drauflos und wollten jedermann glauben machen, daß sie geheimnisvolle Abenteuer hätten, Rendezvous mit Gräfinnen, über den Ladentisch hinweg heimlich vereinbart.
    »Sie sollten ihm die Dame abluchsen«, sagte Favier in seiner unbewegten Art.
    »Das ist ein Gedanke!« rief Hutin. »Wenn sie in unsere Abteilung kommt, will ich sie abfangen; ich muß hundert Sous haben.«
    In der Handschuhabteilung saß eine ganze Reihe von Damen vor den mit grünem Tuch überzogenen Tischen. Mignot hatte Frau Desforges schon zwölf Paar Ziegenlederhandschuhe verkauft, sechs Paar weiße, sechs Paar leichte »Paradies«-Handschuhe, die Spezialität des Hauses. Dann hatte sie noch drei Paar schwedische genommen; jetzt ließ sie sich sächsische Handschuhe anprobieren, nur fürchtete sie, daß die Nummer nicht ganz passe.
    »Aber vorzüglich, gnädige Frau!« rief Mignot. »Sechsdreiviertel wäre zu groß für eine Hand wie die Ihre.«
    Er hatte sich halb über den Tisch gelehnt, hielt ihre Hand, ergriff einen nach dem

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