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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Spürnase ihn getäuscht haben? Er ließ Frau Marty fahren und bemühte sich um Henriette. Er legte seine ganze Verführungskunst in seine Stimme, als er sie fragte:
    »Wünschen gnädige Frau unseren Atlas, unseren Samt nicht zu sehen? Wir haben ganz außerordentlich günstige Angebote.«
    »Danke, ein andermal«, erwiderte sie ruhig und blickte ihn so wenig an wie vorher Mignot.
    Hutin mußte nun die Einkäufe Frau Martys aufnehmen und vor den Damen hergehen, um sie in die Konfektionsabteilung zu führen. Dabei hatte er noch den Kummer, zu sehen, wie Robineau Frau Boutarel eine große Partie Seide verkaufte. Ganz entschieden, mit seiner feinen Nase war es vorbei; er würde kaum vier Franken zusammenbringen. Unter der äußeren Liebenswürdigkeit wuchs sein Zorn.
    »Im ersten Stock, meine Damen«, sagte er, noch immer lächelnd. Es war nicht so leicht, zur Treppe zu gelangen. Durch sämtliche Gänge schob sich ein dichter Strom von Köpfen, der mit seinen Ausläufern bis in die Mitte der Halle reichte. Die Stunde des Nachmittagsgetümmels war gekommen. Insbesondere in der Seidenabteilung schien eine Art Fieber um sich zu greifen: Das »Pariser Glück« hatte so viele Menschen in Bewegung gesetzt, daß Hutin mehrere Minuten keinen Schritt vorwärts tun konnte. Als Henriette, atemlos, fast erdrückt von der Menge, nach oben blickte, sah sie Mouret an der Treppe stehen. Sie lächelte in der Hoffnung, daß er herabkommen und ihr eine Bahn brechen werde. Allein er bemerkte sie nicht inmitten des Gewühls; er war noch in Begleitung Vallagnoscs und damit beschäftigt, diesem mit strahlender Miene das Haus zu zeigen. Das Getöse im Innern erstickte jetzt die von draußen kommenden Geräusche; man hörte weder mehr das Rollen der Droschken noch das Zuschlagen der Wagentüren. Das Getriebe des Großverkaufs ließ nichts anderes mehr aufkommen als die Empfindung von der Unermeßlichkeit dieses Paris, dieser riesigen Stadt, in der an Käuferinnen kein Mangel bestand.
    Hutin bahnte den Damen mühsam einen Weg. Allein als sie oben ankamen, fand Henriette Mouret nicht mehr vor. Trunken von seinem Erfolg, hatte er sich mit Vallagnosc mitten in das Gewimmel gestürzt.
    »Links, meine Damen«, sagte Hutin, trotz seiner Erbitterung immer höflich.
    Oben wiederholte sich das gleiche Schauspiel. Alles war überfüllt, selbst die Möbelabteilung, die sonst am wenigsten besucht war. Bei den Umhängen, den Pelzwaren, der Wäsche wimmelte es von Menschen. In der Spitzenabteilung trafen die Damen neue Bekannte: Frau von Boves saß da mit ihrer Tochter Blanche, beide in Betrachtung von Mustern versunken, die Deloche ihnen zeigte. Hier mußte Hutin, mit den Paketen beladen, abermals Station machen.
    »Guten Tag! Eben habe ich an Sie gedacht.«
    »Und ich habe Sie überall gesucht; aber wie soll man in diesem Gewühl jemanden finden?«
    »Herrlich, nicht wahr?«
    »Blendend! Man kann sich kaum auf den Beinen halten.«
    »Sie kaufen auch?«
    »Oh nein; wir sehen uns nur einiges an. Es ist uns eine Erholung, kurze Zeit zu sitzen.«
    In der Tat ließ Frau von Boves, die nur so viel Geld bei sich hatte, als sie brauchte, um den Wagen zu bezahlen, sich allerlei Spitzen vorlegen, bloß um sie anzuschauen und zu befühlen. Sie hatte in Deloche sofort den Anfänger erkannt, der in seiner linkischen Unbeholfenheit nicht wagte, sich den Launen der Damen zu widersetzen; sie mißbrauchte seine Gefälligkeit und hielt ihn seit einer halben Stunde auf, indem sie immer neue Artikel zu sehen verlangte. Der Tisch war schon überfüllt; sie tauchte ihre Hände in diese steigende Flut von Mechelner, Valenciennes- und Chantillyspitzen, die Finger bebend vor Begierde, das Gesicht allmählich in sinnlichem Verlangen gerötet. Die Damen unterhielten sich noch eine Weile. Hutin, der sie am liebsten geohrfeigt hätte, stand unbeweglich da und wartete, bis es ihnen gefällig war, weiterzugehen.
    »Ach«, sagte Frau Marty, »Sie sehen sich ja die Taschentücher an, die ich Ihnen neulich gezeigt habe!«
    Sie hatte recht. Frau von Boves, die seit Samstag nicht mehr hatte schlafen können, wenn sie an Frau Martys Spitzen dachte, hatte der Versuchung nicht widerstehen können, die gleichen Stücke wenigstens zu besichtigen und in den Händen zu fühlen, da sie nicht genug Geld besaß, um sich etwas davon zu kaufen. Sie errötete und erklärte, Blanche habe sich eigentlich Spitzenkrawatten ansehen wollen. Dann fügte sie hinzu:
    »Sie gehen in die Konfektionsabteilung? Ich

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